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Vor 1918
Österreichische Bürgerkunde
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102 XIX. Die Landtage. Wirkung bei der Landesgesetzgebung berufen; als die obersten Organe der Selbst- verwaltung der Länder leiten und kontrollieren sie diese Verwaltung. Die Landesordnungen umschreiben denWirkungskreis derLandes- vertretungen durch eine Aufzählung der Landesangelegenheiten. Als solche werden z. B. genannt: die Landeskultur, öffentliche Bauten und Wohltätigkeits- anstalten, die aus Landesmitteln bestritten oder dotiert werden, der Landes- haushalt, die Landesbesteuerung u. a. m. Dadurch, daß die Dezemberverfassung von 1867 alle Gegenstände, die nicht ausdrücklich dem Reichsrate vorbehalten sind, den Landtagen zuweist, ist der Bereich der Landesgesetzgebung inhaltlich erweitert worden. Seit 1907 steht den Landtagen auch die Straf- und Zivilrechts- gesetzgebung in solchen Angelegenheiten zu, die auch im übrigen zum Wirkungs- kreise der Landesgesetzgebung gehören. Mehrfache Zusammenhänge zwischen der Reichs- und Landesgesetzgebung ergeben sich dadurch, daß in einer Reihe von Angelegenheiten den Landtagen die näheren Anordnungen innerhalb der Grenzen der allgemeinen Gesetze entweder durch die Verfassung vorbehalten sind oder doch wegen ihrer Beziehungen zu der Wohlfahrt oder den Bedürfnissen des Landes vom Reichsrate überlassen werden. Mittelbaren Einfluß auf die Reichsgesetz- gebung üben die Landtage dadurch aus, daß sie sowohl über kundgemachte all- gemeine Gesetze als auch wegen Erlassung von solchen vom Standpunkte der Landesbedürfnisse aus beraten und Anträge stellen können. Auch sind sie für die Zwecke der Staatsverwaltung Gutachten zu erstatten berufen. Andererseits können sie in einzelnen Fällen ihr Mitwirkungsrecht bei der Gesetzgebung an den Reichs- rat delegieren. Daß die Kompetenzgrenze zwischen Reichs- und Landesgesetz- gebung nicht scharf genug gezogen ist und zu häufigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertretern der zentralistischen und der föderalistischen Richtung führen, ist schon weiter oben bemerkt worden^). Derartige Kompetenzkonflikte können nicht im Rechtswege, sondern nur durch die praktische Politik gelöst werden. Auf die staatliche Verwaltung der einzelnen Länder können die Landtage innerhalb ihrer Zuständigkeit durch ähnliche Mittel (Beschwerden, Interpellationen, Anträge, Resolutionen, Adressen usw.), aber in beschränkterem Maße Einfluß nehmen, wie jedes der beiden Häuser des Reichsrates auf die gesamte Staatsverwaltung. Die Regierung wird in den Landtagen durch die Landeschefs vertreten. Sie sind dem Landtage jedoch nicht verantwortlich. Ebensowenig steht es den Landtagen zu, die Ministerverantwortlichkeit geltend zu machen. Als leitende Organe der Selbstverwaltung der Länder ordnen die Landtage den Landeshaushalt, sie verwalten das Landesvermögen, stellen den Landesvoranschlag auf, sorgen für die Aufbringung der erforderlichen Mittel durch Handhabung der Auflagengewalt oder Aufnahme von Landesanlehen, organisieren das Landesbeamtenwesen und leiten alle jene Angelegenheiten, welche dieLänder selbstwahrnehmen. Das Vollzugs-und Repräsentationsorgan desLandes in allen diesen Angelegenheiten ist der kollegialisch gebildete Landesaus- schuß, der zu diesem Zwecke auch mit dem Verordnungsrechte ausgestattet ist. Der Landesausschuß führt auch die Aufsicht über die unteren Kommunal- verbände, die Bezirke und Gemeinden, und entscheidet an letzter Stelle über die 1) Vergl. S. 92.
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Österreichische Bürgerkunde
Title
Österreichische Bürgerkunde
Author
Heinrich Rauchberg
Publisher
Verlag von F. Tempsky
Location
Wien
Date
1911
Language
German
License
PD
Size
16.4 x 24.0 cm
Pages
278
Categories
Geschichte Vor 1918
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