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Vor 1918
Österreichische Bürgerkunde
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Page - 136 - in Österreichische Bürgerkunde

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136 XXX. Die Freiheit der nationalen Entfaltung. Schlüsse an den KremsiererVerfassungsentwurfund an die Märzverfassungvon 1849 stellt er zunächstebenso wie für die einzelnen Staatsbürgerauchfür dieVolksstämme den Grundsatz formellerGleichberechtigung auf: „Alle Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache." Aber die Volksstämme sind nicht derart organisiert, als daß sie selbst Träger von Rechten oder Pflichten sein könnten. Die ihnen zugedachten Befugnisse stehen in Wirklichkeit den ein- zelnen Staatsbürgern zu, die ihnen angehören. Diese werden dadurch berechtigt, ihre Nationalität zu pflegen und auch dem Staate gegenüber zu wahren. Wie alle anderen Freiheitsrechte zieht also auch dieses der Staatsgewalt Schranken; es verwehrt üir, die Staatsbürger in der Pflege und Betätigung ihrer Nationalität und Sprache zu behindern. Die weiteren Bestimmungen stellen die folgenden Grundsätze auf: „Die Gleich- berechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichemLeben wird vom Staate anerkannt. In den Ländern, in welchen mehrere VoUisstämme wohnen, sollen die öffentlichen Unterrichtsanstalten derart eingerichtet sein, daß ohne Anwendung eines Zwanges zur Erlernung einer zweiten Landessprache jeder dieser Volksstämme die erforderlichen Mittel zur Ausbildung in seiner Sprache erhält^)." Um die Durchführung dieser Bestimmungen kämpfen die politischen und nationalen Parteien Österreichs miteinander. Drei Punkte sind es, die am leb- haftesten umstritten sind : dieAmtssprache der GerichteundVerwaltungsbehörden, die Befriedigung der nationalen Schul- und Bildungsbedürfnisse, die nationale Ordnung der Selbstverwaltung in den mehrsprachigen Ländern. Was zunächst die Frage der Amtssprache anbelangt, so ist zwischen äußerer und innerer Amtssprache zu unterscheiden. Nur die äußere Amtssprache berührt den nationalen Rechtskreis der Staatsbürger; die innere Amtssprache ist vermöge der Dienstgewalt ausschließlich im staatliehen Interesse zu regeln. Von der Regelung derAmtssprachehängenauch dieAnforderungenan die Sprachen- kenntnisse der Staatsbeamten und die Aussichten der einzelnen Volksstämme ab, die Beamtenstellen mit ihren Angehörigen besetzen zukönnen. Der Streit um die Amtssprache ist also auch ein Streit um das Amt und die durch das Amt aus- zuübende Gewalt; nicht nur um wirtschaftliche Versorgung handelt es sich, sondern auch um staatlichen Einfluß. Die geschichtliche Entwickelung Österreichs hat es mit sich gebracht, daß die Amtssprache der landesfürstlichen Behörden zur Zeit des Absolutismus fast ausschließlich deutsch war. Die deutsche Amtssprache war eines der wirksamsten Mittel,umdenstaatlichenZusammenschlußdereinzelnenLänderherbeizuführenund zu befestigen. Doch wurde schon damals das Verkehrsbedürfnis nicht außer acht gelassen. Eine Berücksichtigung der örtlichen Sprachenverhältnisse bezweckt auch die Anordnung der allgemeinen Gerichtsordnung, wonach sich die Parteien vor Gericht der landesüblichen^) Sprache zu bedienen haben. Das Andrängen ^) Der ungarische Gesetzartikel XLIV vom Jahre 1868 ,,über die Gleichberechtigung der Nationalitäten" sichert— entgegen seiner Überschrift— der ungarischen Sprache den Vorrang als J.Amtssprache des Staates". — *) Nach der sogenannten westgalizischen Gerichtsordnung, die zur Interpretation herangezogen wird, ,,der im Lande bei Gericht üblichen Sprache".
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Österreichische Bürgerkunde
Title
Österreichische Bürgerkunde
Author
Heinrich Rauchberg
Publisher
Verlag von F. Tempsky
Location
Wien
Date
1911
Language
German
License
PD
Size
16.4 x 24.0 cm
Pages
278
Categories
Geschichte Vor 1918
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