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Vor 1918
Österreichische Bürgerkunde
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Page - 153 - in Österreichische Bürgerkunde

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XXXV. Sirafrecht und Strafprozeß. 153 und sozialen Ansichten des Zeitalters ab. Sie sind daher in steter Umbildung be- griffen. Verschiedene Strafzwecke sind in den sogenannten Strafrechts- theorien aufgestelltworden : Vergeltung, Genugtuungund Sühne für den Bruch der Rechtsordnung, Abschreckung oder psychologischer Zwang zur Unterlassung der Straftat, Besserung oder, wenn diese ausgeschlossen, Unschädlichmachung des Verbrechers. Diese einzelnen Strafzwecke schließen einander keineswegs aus, Sie werden mehr oder weniger gleichzeitig angestrebt; es handelt sich nur darum, welcher von ihnen stärker betont und vor den anderen verfolgt werden soll. Neue Anschauungen über Verbrechen, Strafe und ihr gegenseitiges Verhältnis sind aufgebracht worden durch die anthropologische und die sozio- logische Richtung der Ki'iminalistik. Die erstere faßt den Verbrecher als einen durch abnormale Veranlagung, insbesondere durch gewisse Degenerations- zeichen gegebenen, in der Regel auf erblicher Belastung beruhenden Menschen- typus auf^). Die letztere lehrt, unterstützt durch die Kriminalstatistik, den Zu- sammenhang zwischen dem Verbrecher und den gesellschaftlichen Verhältnissen kennen. Sie faßt das Verbrechen als eine Kollektiverscheinung des gesellschaft- lichen Lebens auf. Damit hat sie den Grund zur modernenKriminalpolitik gelegt, welche neue Gesichtspunkte für die gesellschaftliche Funktion der Strafe, insbesondere aber für die Verhütung von Verbrechen durch Besserungs- und Sicherungsmaßnahmen aufstellt und damit schließlich in die allgemeine Sozial- politik einmündet^). Je nachdem die eine oder andere jener Theorien in dem positiven Strafrechte und bei der Handhabung desselben überwiegt, sind Art und Vollzug der Strafe verschieden. Die verstümmelnden Leibesstrafen, die Prügelstrafe, die Ehrenstrafen wie Ausstellung am Pranger und der sogenannte bürgerliche Tod sind schon im Aufklärungszeitalter als dem Menschlichkeitsgefühlewidersprechend aufgegeben worden. Es erübrigen darnach nur die Todesstrafe, Freiheits- und Geld- strafen. Auch die Todesstrafe ist in einigen Staaten abgeschafft; ob sie in den anderen— und so auch in Österreich— beizubehalten sei, wird heftig umstritten. Die Freiheitsstrafen werden nach der Art des Vollzugs in Grade von verschiedener Schwere abgestuft ; in Österreich in schweren Kerker, Kerker, strengen Arrest und Arrest. Dazu kommen noch verschiedene Verschärfungsmittel, gewisse zeitlich begrenzte Ehrenfolgen und gegebenenfalls weitere Freiheitsbeschränkungen wie Landesverweisung gegen Ausländer, Abschaffung gegen Heimatsfremde, Abgabe in Zwangsarbeitsanstalten und Stellung unter Polizeiaufsicht. Die Strafandrohungen des Strafgesetzes sind, von der Todesstrafe und einigen anderen Ausnahmen abgesehen, bloße Strafrahmen. Sie setzen das Höchst- maß und das Mindestmaß der Strafe fest, überlassen es aberdem Richter, innerhalb dieser Grenzen die Strafe je nach der Beschaffenheit der Tat und der Größe der Schuld zuzumessen, in vielen Fällen auch die Strafart zu bestimmen und die Zu- lässigkeit polizeilicher Sicherungs- und Besserungsmaßnahmen auszusprechen. Ein den Anforderungen der Wissenschaft entsprechendes System der straf- baren Handlungen beruht auf der Unterscheidung der durch das Strafrecht zu ^) Der Begründer diesernunmehr allgemein als einseitig anerkannten Richtung ist der Turiner ArztCesareLombrosoin seinem Werke l'uomo delirguente.— ^) Der Führer der kriminal- politischen Richtung ist Professor Franz v. Lisztin Berlin. Vergl. dessen „Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge". 2 Bde. 1904.
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Österreichische Bürgerkunde
Title
Österreichische Bürgerkunde
Author
Heinrich Rauchberg
Publisher
Verlag von F. Tempsky
Location
Wien
Date
1911
Language
German
License
PD
Size
16.4 x 24.0 cm
Pages
278
Categories
Geschichte Vor 1918
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