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166 XXXIX. Die Wehrmacht
nischen Zeit durch den Wiener Kongreß (1815), die Verhältnisse der Türkei, an
denen ja alle europäischen Großmächte („das europäische Konzert") interessiert
sind, nach dem Krimkriege durch den Pariser Kongreß (1856) und nach dem
letzten russisch-türkischen Kriege durch den Berliner Kongreß (1878) geregelt
worden.
Das Ergebnis der Verhandlungen wird in Staatsverträgen festgelegt;
je nach ihrer Form werden sie verschieden benannt. Im Frieden^) werden sie regel-
mäßig durch Bevollmächtigte der beteiligten Staaten vorbereitet. Völkerrechtlich
verbindlich werden sie erst durch die Genehmigung des Staatsoberhauptes, für
dieösterreichisch-ungarische Monarchie also des Kaisers, die in derForm der Ratifi-
kation des Staatsvertrages erfolgt. Die (auch durch die österreichische und
ungarische Verfassunggeforderte) Zustimmung der Parlamente zu gewissen Staats-
verträgen^) ist zwar Voraussetzung für die staatsrechtliche Gültigkeit, nicht aber
auch für völkerrechtliche Verbindlichkeit und Wirksamkeit der Verträge. Die
Bedeutung der Staatsverträge für die innere Rechtsordnung ist bereits im
XXXIL Kapitelbesprochen worden^), worauf hiermit verwiesen wird. Der Inhalt
der politischen Staatsverträge, welche für das Geschick und die Machtstellung
der Staaten maßgebend sind, gehört der Geschichte, der Inhalt der Staatsvertrage,
die für die Zwecke der Verwaltung und der Rechtspflege abgeschlossen werden,
den betreffenden Teilen des Rechts an.
XXXIX. Die Wehrmacht.
Jeder Staat bedarf einer bewaffneten Macht, um seine auswärtigen Lebens-
interessen, wenn die Mittel friedlicher Verständigung versagen, andern Staaten
gegenüber zu schützen und die innere Ordnung gegen Angriffe zu verteidigen,
denen die Machtmittel der Zivübehörde nicht gewachsen sind. Durch die Fort-
schritte des Völkerrechtes, insbesondere durch die Vereinbarungen der beiden
Haager Friedenskonferenzen, ist zwar die friedliche Austragung internationaler
Streitigkeiten erleichtert, die Möglichkeit von Kriegen aber nicht beseitigt worden.
Wenn es sich um die Unabhängigkeit und die Lebensbedingungen der Staaten
handelt, liegt die letzte Entscheidung noch immer im Kriege*). Ohne für den Krieg
gerüstet zu sein, kann daher kein Staat sich behaupten, kein Staat die auswärtigen
Bedingungen seiner Wirtschaftsentfaltung und seiner zukünftigen Entwickelung
sicher stellen. Die bewaffnete Macht (Heer und Marine) ist nichts anderes als die
Organisation des Staatsvolkes zur Verteidigung seines staathchen Daseins in
Gegenwart und Zukunft und damit auch aller der individuellen Lebensgüter,
die durch den eigenen Staat geschaffen oder doch gewährleistet werden.
^) Im Kriege haben die Befehlshaber das Recht, sogenannte Kriegsverträge (Waffenruhe,
Waffenstillstand, Austausch von Gefangenen, Kapitulationen u. s. w.) abzuschließen.— '^) Vergl.
oben S. 91. — =•) Vergl. oben S. 143. — *) Auch von den Haager Friedenskonferenzen ist
die internationale Schiedsprechung ,,als das wirksamste und zugleich der Billig-
keitam meisten entsprechende Mittel, um Streitigkeiten zu erledigen", nur „in Rechtsfragen und
in erster Linie in Fragen der Auslegung oder der Anwendung internationaler Vereinbarungen"
anerkannt worden. In Streitigkeiten, bei denen die Lebensinteressen, die Ehre oder die Unab-
hängigkeit der Staaten aufdem Spiele stehen, muß die Schiedssprechung versagen.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918