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188 XLIII. Die Landwirtschaß.
läge unserer Volkswtschaft. Sie nimmt der Industrie die meisten Produkte ab,
liefert ilir den größtenTeil des Nalirungsbedarfesund viele Rohstoffe und bleibt der
Jungbrunnen der Volkskraft, indem sie den Menschen in die Natur hineinstellt.
Je schärfer von den wörtschaftspolitischen Parteien die Interessengegensätze
hervorgekehrt werden, desto wichtiger wird die Erkenntnis, daß Landwirtschaftund
Industrie einander nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch in Bezug
auf die körperliche, geistige und moralische Gesundheit der Bevölkerung wohl-
tätig ergänzen. Der Staat kann sich daher nicht in den Dienst einseitiger agrarischer
oder industrieller Interessen stellen. Die harmonische Entwickelung seiner Kräfte
erfordert es, daß er Landwtschaft und Industrie gleichmäßig fördere und in den
auftauchenden Gegensätzen, die insbesondere in Zoll- und Steuerfragen zutage
treten^), jene Mittellinie ziehe, die vielleicht zwar nicht den Wünschen der Streit-
teile, aber dem Gemeinwohle entspricht.
XLIII. Die Landwirtschaft.
Bevor wir auf die Betätigung der öffentlichen Verwaltung auf dem Gebiete
der Land- und Forstwirtschaft eingehen, empfiehlt es sich, einen Blick auf die
Tabellen 16—20 des Anhanges zu werfen, in welchen sich die wichtigsten Zahlen
der österreichischenAgrarstatistikzusammengestelltfinden. Die Stellung der Land-
w^irtschaft in der Berufsgliederung der Bevölkerung Österreichs ist bereits in
der Tabelle 10 des Anhanges ausgewiesen worden. Die Tabelle 16 zeigt, wie sich
die Bodenfläche der einzelnen Länder Österreichs auf die im Grundsteuerkataster^)
unterschiedenen Kulturen verteilt. Die Tabelle 17 teilt das Ackerland weiterhin
nach der Anbaufläche der wichtigsten Bodenprodukte auf. Die Tabelle 19 weist
die Ernteerträge derselben aus, und zwar für die österreichischen Länder nach dem
Durchschnitte der Jahre1900—1909, für diezumVergleiche herangezogenen Staaten
nach den neuesten statistischen Ausweisen. Die Tabelle 20 unterrichtet über den
Viehstand, die Tabelle 18 endlich stellt die wichtigsten Zahlen der landwirtschaft-
lichen Betriebsaufnahme von 1902^) zusammen.
Den Ausgangspunkt unserer Erörterungen bildetdieAgrarverfassung.
Man versteht darunter die rechtliche Ordnung der Bodennutzungen, in erster Linie
die Grundsätze über Grundbesitz und -Verkehr, dann aber auch die Arbeitsordnung
der Landwirtschaft, soweit sie auf dem Besitzverhältnisse beruht*). Die gegen-
wärtige Agrarverfassung Österreichs ist entstanden durch den Übergang von der
feudalen Gutsherrlichkeit und der ihr entsprechenden Untertänigkeit der Land-
arbeiter zur Freiheit der Person und des Bodens, die in der Verfassung grund-
gesetzlich anerkannt sind^). Dieser Übergang ist schon durch die bauernfreundlichen
Agrarreformen Maria Theresias und Josefs IL eingeleitet, aber erst infolge derEr-
eignisse des Jahres 1848 durch die sogenannte Grundentlastung vollendet
^) Diese Gegensätze müßten sich verschärfen, wenn nicht das überwiegend agrarische Ungarn,
sowie Bosnien und die Herzegowina mit dem industriell stärker entwickelten Österreich durch
die Zoll- und Währungsgemeinschaft zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiete zusammengefaßt
wären.— *)Vergl.darüberdas L. Kapitel, S.225.—')DieErgebnissederlandwirtschaftlichenBetriebs-
zählungen vom 3. Juni 1902 sind im LXXXIII. Bande der
,, Österreichischen Statistik" ver-
öffentlicht worden.— *) Vergl. W. Schiff: ,,Grundriß des Agrarrechtes". 1903. Auch des-
selben Verfassers
,, Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastmig", I., Tübingen, 1898.
— *) Vergl. oben S. 127.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918