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XLIV. Das Gewerle, 193
Die landwirtschaftlichen Berufsinteressen wurdeninden
einzelnen Ländern bisher durch die Landeskulturräte oder zentrale Landwirt-
schaftsgeselischaften und unter diesen durch mannigfache Bezü-ksorganisationen
wahrgenommen^). Durch einGesetzvomJahre 1902 ist dieErrichtungvonBerufs-
genossenschaften der Landwirte angeordnet worden ; für die Ge-
richtsbezirke sollen Bezirksgenossenschaften, für die Länder Landesgenossen-
schaften errichtet werden. Als ihr Zweck wird die Verbesserung der sittlichen und
materiellen Verhältnisse der Landwte angegeben. Die in diesem Gesetze vor-
gezeichneten Grundzüge sind aber durch die Landesgesetzgebungen bisher noch
nicht ausgestaltetund in Wirksamkeit gesetzt worden.Um die agrarischen Anliegen
an die Gesetzgebung und Verwaltung durch Gutachten und Anträge geltend zu
machen, besteht beim Ackerbauministerium der Landwirtschaftsrat
(als Sektion des Industrie- und Landwirtschaftsrates).
InengerBeziehungzurLandwdrtschaftstehenendlich dieJagdundFischerei.
Die Jagdgesetze ziehen die Grenze zwischen den einander widerstreitenden Inter-
essen der Landwirtschaft und der Jagd. Das Jagdi'echt auf eigenem Boden steht
dem Besitzer eines Grundkomplexes von wenigstens 115 ha, auf allen anderen
Grundstücken entweder der Gemeinde oder der als Genossenschaft zu organi-
sierenden Gesamtheit der Grundbesitzer zu. Die Gemeinde- oder Genossenschafts-
jagd wird teils durch Verpachtung, teils in eigener Regie durch angestellte Jäger
ausgeübt. Beschränkungen des Jagdbetriebes bestehen im Interesse derWUdhege
(Schonzeiten), dann zum Schutze der Kulturen und der öffentlichen Sicherheit.
Der auf fremdem BodenJagdberechtigte ist zum Ersatz der "Wild- und Jagdschäden
verpflichtet. Die Fischereigesetzgebung stellt die Fischereirechte fest, indem sie
die Bildung von Eigen- oder Pachtrevieren anordnet, und regelt den Fischerei-
betrieb durch polizeiliche Vorschriften.
XLIV. Das Gewerbe.
Unter Gewerbe versteht man jede berufsmäßig ausgeübte Erwerbstätigkeit.
In Übereinstimmung mit der österreichischen Gewerbeordnung wd das Wort
Gewerbe hier in einem engeren Sinne genommen, welcher die Landwirtschaft, die
sogenanntenfreien Berufeund eine Reihe vonbesonders geregeltenUnternehmungen
und Betätigungen^) ausschließt. Soweit sie die Beförderung von Personen
und Gütern und die Kjeditvermittlung bezwecken, werden sie im nächsten Ab-
schnitte kurz besprochen werden. Hingegen umfaßt das Gewerbe auch die Industrie
und den Handel. Als Industrie bezeichnet man in der Regel das in größeren
Unternehmungen betriebene oder zusammengefaßte Produktionsgewerbe; eine
^) Eine besondere politische Vertretung besitzen die landwirtschaftlichen Besitz-
intcressen in dem privilegierten LandtagsWahlrechte des Großgrundbesitzes, sowie in der Sonder-
stellung des Großgrundbesitzes in der Gemeindeverwaltung (Gutsgebiete außerhalb des Gemeinde-
verbandes in Galizien und der Bukowina, Teilnalune der größten Steuerzahler an der Gemeinde-
vertretung). — *) Der Bergbau wird durch das allgemeine Berggesetz vom 23. Mai 1854
geregelt; für Versicherungsanstalten ist das sogenannte Versicherungsregulativ (Ver-
ordnung vom 5. März 1896) maßgebend; die wichtigsten Bestimmungen über einzehie Arten
von Bank- und Transportanstalten werden im XLV. Kapitel erwähnt werden«
Rauchberg, Bürgerkunde. 13
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918