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196 XLIV. Das Gewerbe.
Der Antritt eines Gewerbes berechtigt nur zu denjenigen, aber auch zu allen
denjenigen gewerblichen Verrichtungen, die zu dem betreffenden Gewerbe gehören.
Der Umfang der Berechtigung wird nach dem Inhalte des Gewerbe-
scheines, den die Behörde auf Grund derAnmeldung ausfertigt, oder der Konzession
beurteilt. Darnach sind also z^vischen den Berechtigungen der einzelnen Gewerbe
feste Schranken gezogen, um eines vor der Konkurrenz des andern zu bewahren.
Von besonderer Wichtigkeit sind die Grenzlinien zwischen den Erzeugungs- und
Handelsgewerben. Die Befugnis zur Erzeugung bringt die zum Handel mit sich,
nicht auch umgekehrt.Um die ansässigen Gewerbsleute vor auswärtiger Konkurrenz
zu schützen, ist das Aufsuchen von Bestellungen auf Waren sowie der Hausier-
handel in mancher Hinsicht beschränkt.
Andere Einschränkungen sowohl der Herstellung als auch des Vertriebes
vonWarenund geistigen Darbietungen ergaben sich ausdemUrheberrechte,
welches den Schutz von Erfindungen, literarischen und künstlerischen Leistungen,
Mustern und Warenzeichen bezweckt^). Um jedoch auch die Gesamtheit an den
dadurch erzielten Fortschritten ungehindert teilnehmen zu lassen, ist dieser Schutz
regelmäßig auf eine gewisse Zeit beschi'änkt.
In sozialpolitischer Hinsicht sind die Bestimmungen der Gewerbeordnung
über das gewerbliche Arbeitsverhältnis von besonderer Wichtigkeit.
Die Gewerbeordnung von 1859 stand grundsätzlich auf dem Standpunkte der Frei-
heit des Ai'beitsvertrages und unterließ es, die Arbeitsbedingungen zu regeln.
Durch die Novelle zur Gewerbeordnung von 1885 sind der Vertragsfreüieit Grenzen
gezogen worden, um die Arbeiter besser zu schützen^): die Einrichtungen des Be-
triebes müssen den Anforderungen der Sicherheit, der Hygiene und der Sittlichkeit
entsprechen. Es müssen angemessene Arbeitspausen eintreten. An Sonntagen
hat alle gewerbliche Arbeit zu ruhen^); an den Feiertagen ist den Arbeitern die
zum Besuche des Vormittagsgottesdienstes nötige Zeit einzuräumen. Die Löhne
der Hilfsarbeiter sind in barem Gelde auszuzahlen; eingehende Vorschriften ver-
^) Das Urheberrecht im weiteren Sinne zerfällt in das Patentrecht, in den
Schutz des literarischen und künstlerischen Eigentums (Urheberrecht im engeren Sinne), in das
Marken-(Warenzeichen-)recht und in das Musterrecht. Durch das Patent wird dem Erfinder
(oder dessen Rechtsnehmer) die ausschließliche Herstellung und Ausnützung seiner Erfindung
für eine Reihe von Jahren— in Österreich höchstens für 15 Jahre— vom Staate gewährleistet
(Gesetz vom 11. Jänner 1897). An Werken der Literatur, Kunst und Photographie besteht ein
(durch das Gesetz vom 26. Dezember 1895 geschütztes) Urheberrecht, das dem Urheber
oder seinem Rechtsnachfolger das Recht der Veröffentlichung, der Vervielfältigung und des Be-
triebes, bei Werken der Literatur auch die Übersetzung, bei Bühnenwerken und Tonstücken auch
der öffentlichen Aufführung sichert. Die Schutzfrist beträgt in der Regel 30 Jahre nach dem Tode
des Urhebers. Der Zweck der gesetzlich geschützten ,,Marken" ist, zum Handelsverkehr
bestimmte Waren von anderen Waren ähnlicher Art zu unterscheiden. Durch Registrierung
der Marken bei der zuständigen Handels- und GewerbekammeT auf je 10 Jahre wird bewirkt,
daß sie von Unbefugten nicht verwendet werden dürfen. In ähnlicher Weise werden dieM u s t e r
für Industrieerzeugnisse, mögen sie sich nun auf die Eignung zu Gebrauchszwecken (Gebrauchs-
muster) beziehen oder an den Geschmack wenden (Geschmacksmuster), auf die Dauer von jeweils
drei Jahren durch Registrierung geschützt. — -) Die Rechtsstellung der Handlungsgehilfen ist
durch das Gesetz vom 16. Jänner 1910 besonders geregelt worden. — ') Gewisse Ausnahmen
sind für das Handelsgewerbe zulässig.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918