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218 XLVIL Der öffentliche Haushalt.
wand, der aus den Einnahmen des Staates zu bestreiten ist. Der Staat ist daher
genötigt, einenH a u s h a 1 1 zu führen : ermuß trachten, nacheinemwohlbedachten
Plane die Einnahmen mit den Ausgaben in Einklang zu bringen. Nach dem Grund-
satze der Wirtschaftlichkeit muß er dabei bestrebt sein, den größten Erfolg mit
einem so geringen Aufwände wie nur möglich zu erzielen. Das ist auch in einem
vernünftig geordneten Privathaushalte nicht anders. Aber der Staatshaushalt
unterscheidet sich von den Privathaushaltungen nicht nur durch seine Größe,
sondern auch dadurch, daß sein Bedarf durch die Dringlichkeit der Staatsaufgaben
in der Hauptsache unverrückbar gegeben ist. Die Staatseinnahmen müssen sich
daher dem Bedarfe anpassen, während sich das bei den Privatwirtschaften in der
Regel umgekehrt verhält.
Die Anpassung der Staatseinnahmen an den Bedarf wird dadurch ermöglicht,
daß sie nurzum geringeren Teile aus demVermögen und den privatwirtschaftlichen
Unternehmungen des Staates fließen; zum größeren Teile beruhen sie auf seiner
obrigkeitlichen Gewalt, kraft welcher er die Untertanen zu Beiträgen heranzieht.
Die Einnahmen des Staates werden Finanzen^) genannt ; die auf die Erzielung
von Staatseinnahmen gerichtete Staatsgewalt ist die F in a n z g ew a 1 1 oder
F in a n z h h e i t ; die Tätigkeit des Staates zur Ordnung seines Haushaltes
und insbesondere zur Erzielung der erforderlichen Einnahmen ist die Finanz-
verwaltung. Der Staat als Träger von Vermögensrechten wird als Fiskus,
in Österreich auch als Ärar bezeichnet.
Was hier vom Staate gesagt wurde, gilt auch von den Selbstverwaltungß-
körpern : auch üir Haushalt stützt sich mehr oder weniger auf die Finanzgewalt,
die ihnen in ihrer Verfassung vom Staate verliehen worden ist. Auch hier ist der
Bedarf gegeben durch die Verwaltungsaufgaben und müssen die Einnahmen den
Erfordernissen angepaßt werden. Das Zusammenwirken des Staates und der
Selbstverwaltungskörper bei der Durchführung gewisser Verwaltungsaufgaben
sowe die Gemeinsamkeit gewisser Steuerquellen bringt es mit sich, daß die Haus-
halte des Staates und der Selbstverwaltungskörper in mannigfacher Wechsel-
beziehung zueinander stehen ; sie bilden zusammen den öffentlichenHaus-
h a 1 1.
Die bereits oben besprochene Zunahme der öffentlichen Verwaltungstätigkeit^)
steigert unausgesetzt den Finanzbedarf. Dem müssen sich auch die Einnahmen
des Staates und der Selbstverwaltungskörper anpassen: es müssen immer höhere
Abgaben eingehoben, immer mehr Personen hiezu herangezogen und alKällige
Abgänge durch Anlehen gedeckt werden. Die der Volkswirtschaft auferlegte Steuer-
last nimmt in allen Kulturstaaten rasch zu. Aber Staat und Gemeinde schaffen
durch ihre Leistungen den vollen Gegenwert für die Abgaben, die sie ein-
heben. Dieselben bilden gleichsam den Preis, den die Bürger für die wichtigen,
in mancher Hinsicht sogar unersetzlichen Dienste des Staates und der Selbst-
verwaltungskörper entrichten. Freilich lassen sich hier Leistung und Gegen-
leistung nicht wie bei einem Kaufe unmittelbar gegeneinander abwägen. Allein
nicht erst das wissenschaftliche Verständnis des Staates, schon die tägliche Er-
^) Unter dem Stande der Finanzen oder der Finanzlage versteht man darnach die durch
das Verhältnis der Staatseinnahmen zu den Staatsausgabeii bedingte wirtschaftliche Lage des
Staates, insbesondere im Hinblicke auf den Kredit, der ihm entgegengebracht wird, und den
Kurs der Staatsschuldverschreibungen. — ") Vergl. S. 160.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918