Page - 223 - in Österreichische Bürgerkunde
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IL. Die StaMseinnähmen. 223
die hieher gehörigen Monopole, wie z. B. das Tabak-und das Salzmonopol, werden
von der Finanzwissenschaft lediglich als Formen der indirekten Besteuerung
angesehen.
Den beiweitem größerenTeU seines Finanzbedarfes deckt der Staat auf öffent-
lich rechtlicher Grundlage durch Abgaben, die er den Untertanen vermöge seiner
Finanzgewalt auferlegt. "Wie die Abgaben am zweckmäßigsten einzurichten sind,
lehrt die Finanzwissenschaft^). Sie hat die allgemeinen Grundsätze hiefür als so-
genannte Steuerprinzipien aufgestellt. Zunächst das Prinzip der All-
gemeinheit der Steuer. Es entspricht der Gleichheit der Staatsbürger vor
dem Gesetzeund verlangt, daß die Abgaben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen
zutreffen, ausnahmslos von jedem und nach dem gleichen Maßstabe zu entrichten
seien, wendet sich also gegen Steuerprivüegien, wie sie früher dem Adel und
der Geistlichkeit zukamen. Das Prinzip der Gleichmäßigkeit fordert,
daß jeder im gleichen Verhältnisse besteuert werde, daß also die Abgaben nach
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aufgelegt werden, so daß das in der Steuer
gelegene Opfer von allen in gleicher Weise empfunden werde^). Damit wird ins-
besondere die progressive Gestaltung des Steuerfußes bei der Einkommensteuer
begründet. Der Forderung nach der Gesetzmäßigkeit der Steuern
wird in allen konstitutionellen Staaten, und so auch in Österreich, schon durch
dieVerfassung Rechnung getragen. Da die Steuerkraft des Volkesvondem Gedeihen
der Privatwirtschaften wie der Volkswtschaft abhängt, muß der Staat darauf
bedacht sein, die Produktivkraft durch die Abgaben nicht zu beeinträchtigen.
Er muß sie so veranlagen, daß die Privatwtschaften möglichst wenig be-
lästigt werden, daß Hinterziehungen und unbeabsichtigte Nebenwirkungen auf
die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse vermieden, daß endlich ein möglichst
hoher Ertrag mit den geringsten Veranlagungs- und Einhebungskosten erzielt
werde. Diese x\nforderungen vollständig zu erfüllen, ist nicht leicht. Ausgeschlossen
wäre es,wenn sichder Staat, wie diesvon verschiedenen Seitenvorgeschlagenworden
ist, auf eine einzige Steuer beschränkte^). Nur durch das planmäßige Zusammen-
wirken verschiedener einander gegenseitig ergänzender Abgaben, nur durch ein
„System" von Steuern, kann der Staatsbedarf in einer den Steuerprinzipien
entsprechenden Weise gedeckt werden.
Das Steuersytem eines jeden Staates ist das Ergebnis geschichtlicher
Ent^\^ckelung. Änderungen hierindürfen, wenn anders unbeabsichtigte, wenn nicht
gar schädliche Nebenwkungen vermieden werden sollen, nur behutsam vorge-
nommen werden. Auch läßt sich der Einfluß auf das Erträgnis nicht sicher ab-
schätzen; die Bevölkerungsschichten, die stärker herangezogen werden sollen,
setzen ihren politischen Einfluß der Reform entgegen; das Beharrungsvermögen
des Bestehendenund Eingelcbtenmacht sich geltend. Sokommt es, daß das Steuer-
system Österreichs wie das der meisten Staaten mit weit zurücki'eichenden Ver-
1) Vergl. oben S. 39.— '') Das schließt die Freilassung eines Existenzminimums nicht aus,
dessen Besteuerung die Befriedigung der zum Unterhalte unbedingt erforderlichen Bedürfnisse
beeinträchtigen würde.— *) Die Physiokraten haben im 18. Jahrhundert als solche die Grund-
steuer vorgeschlagen ; die Sozialdemokraten scheinen grundsätzlich nur die progressiv gestaltete
Einkommensteuer zu billigen.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918