Page - 233 - in Österreichische Bürgerkunde
Image of the Page - 233 -
Text of the Page - 233 -
LH. Der Haushalt der Selbstverwaltung. 233
LH. Der Haushalt der Selbstverwaltung.
Es ist bereits weiter oben bemerkt worden, daß die gleichen Grundsätze
wie für den Staatshaushalt auch für den Haushalt der Selbstverwaltungskörper
gelten. In erster Linie für die Gebietskörperschaften: die Länder, Bezirke und
Gemeinden. Ihre Vertretungen stellen selbständig die Voranschläge ihres Haus-
haltes auf. Da die Ausgaben der Selbstverwaltung noch rascher gewachsen sind
als die Staatsausgaben, sind die Selbstverwaltungskörper genötigt, das Erträgnis
ihres Finanzvermögens in immer steigendem Maße durch Abgaben und, wenn
diese nicht ausreichen, durch Anlehen zu ergänzen. Hiebei sind sie an höhere Ge-
nehmigung gebunden; nur innerhalb gewisser Grenzen können sie ohne eine solche
Um 1 ag en als Z u s ch 1 äg e zu dendirekten Staatssteuernund zurVerzehrungs-
steuer einheben. Daneben bestehen auf Grund von Landesgesetzen auch selb-
ständige Steuern; die Länder heben eine Bierabgabe, gewisse Luxus-
steuern, auchZwecksteuernfür einzelneVerwaltungsaufgaben ein. Auch die Gemein-
den, insbesondere die größeren Städte, sind bestrebt, sich selbständige Einnahme-
quellen zu schaffen. In diesem Zusammenhange ist auch die sogenannte Wert-
zuwachssteuer zu erwähnen, wodurch der Mehrwert besteuert werden soll,
der den Liegenschaften lediglich infolge der Entwickelung des wirtschaftlichen
Lebens, also ohne Zutun des Besitzers zuwächst. In Verbindung mit anderen
Maßnahmen der Bodenpolitik kann eine solche Steuer dazu beitragen, daß
die Grundstücke der Bebauung nicht allzulang entzogen werden, weil der Grund-
besitzer auf eine weitere Preiserhöhung rechnet. Die Regierung hat den Landes-
gesetzgebungen die Einführung einer solchen Steuer, die sich wegen ihres lokalen
Charakters besonders als Gemeindeabgabe eignet, nahe gelegt, ohne daß diese
Anregung bisher einen nennenswerten Erfolg gehabt hätte.
Immer größere Bedeutung erlangen die sogenanntenKommunalbetriebe,
Erwerbsunternehmungen, welche zugleich den Verwaltungszwecken dienen. So
haben die Länder Landeshypothekenbanken, Landesbanken für den Kommunal-
kredit,Versicherungsanstalten u. s. w. begründet und sie beteiligen sich immer mehr
am Lokalbahnwesen. Die Gemeinden, besonders die größeren Städte betreiben
Straßenbahnen, versorgen ihre Bewohner mit Wasser, Leuchtgas, elektrischem
Lichte und elektrischer Kraft, besorgen die Leichenbestattung u. s. w\ und bilden
die Gebühren für Verwaltungsleistungen im individuellen Interesse aus. Allein
eine weitgehende finanzielle Ausnützung der Kommunalbetriebe verwehrt schon
die Rücksicht auf die Verwaltungsaufgaben, in deren Dienst sie stehen^).
Andererseits sind aber so ziemlich alle wichtigeren Steuerquellen vom Staate
vorweggenommen. Die Finanzen der Selbstverwaltung können sich daher nicht
selbständig entwickeln. Auch können die Umlagen zu den staatlichen Steuern
nicht ins Ungemessene gesteigert werden, ohne die durch die Leistungsfähigkeit
der Steuerträger gezogene Grenze zu überschreiten. So sind denn die Länder und
viele Gemeinden in eine bedrängte finanzielle Lage geraten. Die Finanznot der
Länder hat den Staat genötigt, ihnen durch Überweisungen aus dem Er-
trägnisse der Staatssteuernzu Hilfezukommen. Das ist inÖsterreichzuerstgelegent-
^) Mit Unrecht wird die Ausbreitung der Kommunalbetriebe und die stärkere Betonung
der Verwaltungsziele und der sozialpolitischen Rücksichten hiebei als Munizipalsozialismus be-
zeichnet. Pflichtgemäße Fürsorge für das Gemeinwohl ist nicht Sozialismus.
back to the
book Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918