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Heinrich von Rottenburg stand in der 1406 gegründeten Gesellschaft zum silbernen Ele-
fanten und im 1407 gegründeten Falkenbund an der Spitze des Tiroler Adels. Er war einer
der reichsten Adligen Tirols, tirolischer Hofmeister und Hauptmann an der Etsch zu Trient,
verlor jedoch 1411 wegen Felonie den größten Teil seines Besitzes. Am 28. Oktober 1404
hatte er, bevor er gegen die Appenzeller zu Felde zog, seine Ehefrau mit der Morgengabe
und zusätzlichen 4.000 Gulden versorgt, wofür er ihr die Burg Rettenberg bei Kolsass im
Unterinntal sowie Zehentbezüge in Kaltern verschrieb. Ähnlich wie ihre Schwestern erlebte
auch A. eine aufregende Flucht vor den Appenzellern. Nach der für die Österreicher ver-
hängnisvollen Schlacht am Stoß am 17. Juni 1405 floh sie nach Tirol. Während ihr Flucht-
gut in vier Frachtwagen über den Arlberg nach Tirol transportiert wurde, begab sie sich
selbst in Begleitung ihres Hofmeisters Prant Weinegger ins Montafon, wo sie bei dem Wirt
Hans Not Unterkunft fand; darauf setzte sie ihre Flucht über das Zeinisjoch ins Paznaun
fort, ehe sie in der stark befestigten und mit Lebensmitteln gut versorgten Burg Wiesberg
an der Mündung der Trisanna in Sicherheit kam.
In zweiter Ehe heiratete A. vor dem 8. August 1415 als reiche Witwe den schwäbischen
Grafen Eberhard VI. von Kirchberg († 1440), der seit 1431 württembergischer Hofmeister
war. Durch diese Ehe löste sie sich weitestgehend von ihrer alpenländischen Verwandtschaft
und wurde ganz in Schwaben heimisch. Aus den beiden Ehen gingen mehrere Kinder her-
vor, aus der ersten Ehe: Barbara von Rottenburg († 1462), verheiratet um 1430 mit Bero I.
von Rechberg-Mindelheim († 1462). Sie wurde zu einer Urahnin des berühmten Bauernjörg.
Ihr Bildnis hat sich auf dem 1505 von Bernhard Strigel gemalten Frundsbergaltar in Schloss
Donzdorf bei Göppingen erhalten.
Aus der zweiten Ehe stammen: Konrad VIII. von Kirchberg († 1470; Eberhard VII. von
Kirchberg, d. J. († 1475). Grabmal in der Klosterkirche von Wiblingen bei Ulm (mit Wappen
seiner weiblichen Vorfahren von Werdenberg-Heiligenberg (Stiege) und Schaunberg (We-
cken); Agnes von Kirchberg d. J. († 1472), verheiratet seit 1435 mit Ulrich IX. von Matsch
(† 1481); Bertha von Kirchberg († nach 8. Juli 1482), verheiratet mit Johann II. von Tengen,
Graf von Nellenburg († 1484); Anna von Kirchberg († 1478), verheiratet in erster Ehe mit
Johann II. von Fürstenberg († 1443), in zweiter Ehe 1444 mit Werner von Zimmern zu
Messkirch († 1483). A. erlebte den Anfall des Toggenburger Erbe nicht mehr. Hingegen war
A. am 24. Juni 1427 beteiligt am Verzicht der fünf Schwestern auf Bludenz und das Monta-
fon gegenüber Herzog Friedrich von Tirol.
Von A. v. W. ist kein Siegel und auch kein Porträt bekannt. Ihre letzte Ruhestätte fand sie
vermutlich im Kloster Wiblingen bei Ulm, wo auch ihr Mann († 1440) begraben liegt und
wo heute noch das eindrucksvolle Grabdenkmal ihres Sohnes Eberhard VII. von Kirchberg
(† 1475) und seiner Gemahlin zu finden ist. Für A. und ihren zweiten Mann war eine
Jahrzeitstiftung im Kloster Wiblingen bei Ulm eingerichtet, eine weitere bestand im Kloster
Ursperg. Ludwig Welti hat das Schicksal von A. als „besonders tragisch“ empfunden. Aber
immerhin nahm ihre wilde Flucht vor den Appenzellern ein glückliches Ende, wobei sie
auch ihr Hab und Gut retten konnte. Natürlich ist A. bald darauf nach der Geburt ihres
ersten Kindes früh Witwe geworden, was einer gewissen Tragik nicht entbehrt. Sie hatte
auch zuvor miterleben müssen, wie ihr Mann als einer der mächtigsten Herren Tirols sei-
ne Ämter und Güter verlor. Doch heiratete A. erneut, war immer noch eine reiche Frau
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 1, A – H
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1422
- Category
- Lexika