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Czerni | C 539
unerschwinglich war. Einige der Frauen, wie M. K. zu ihrem Entsetzen feststellen muss,
prostituieren sich aus Hunger. Es gelingt ihr, Essen für die Mädchen zu organisieren. Nach
einer Ausbildung als Kinderkrankenpflegerin im Mautner-Markhof-Kinderspital findet
M. K. eine Anstellung im Rothschild-Spital, einer Stiftung der Rothschilds, die nach der
Machtübernahme der Nationalsozialisten von diesen übernommen wird. Sowohl für die
Kranken als auch für das Pflegepersonal herrschen unzulängliche Bedingungen. Die Dienst-
zeiten für das Pflegepersonal betrugen 24 Stunden und die Krankenzimmer beherbergten
bis zu vierzig PatientInnen gleichzeitig.
Ab 1934 engagiert sich M. C. zunächst in der Gruppe „Funke“, einer sozialdemokratischen
Splittergruppe, die sich nach der Niederlage der Sozialdemokratischen Partei gebildet hat,
später ist sie für die Revolutionären Sozialisten im Untergrund tätig. Sie ist eine Kontakt-
person zum Auslandsbüro der österreichischen Sozialdemokraten (ALÖS) in Brünn. Nach-
dem ihr späterer Mann, Karl Czernetz, 1934 verhaftet wird, kann sie noch rechtzeitig belas-
tendes Material wegschaffen.
Im Oktober 1938 flüchtet M. C. nach Großbritannien, weil sie als aktive Mitarbeiterin der
Revolutionären Sozialisten polizeibekannt ist und dadurch besonders gefährdet, von der
Gestapo verhaftet zu werden. Sie heiratet 1939 Karl Czernetz und lebt mit ihm in Lon-
don. Karl Czernetz (12. 2. 1910 –3. 8. 1978) ist Fotograf und zunächst in der Sozialistischen
Arbeiterjugend (SAJ) Leopoldstadt tätig. Er arbeitet wie seine spätere Frau ebenfalls im
Widerstand gegen den austrofaschistischen „Ständestaat“ und flüchtet 1938 vor den Natio-
nalsozialisten über Paris nach London. 1940 wird Karl Czernetz unter dem Verdacht der
Spionage in Großbritannien verhaftet und auf der Isle of Man interniert. Auch M. C. muss
drei Monate Haft dort verbringen.
M. C. arbeitet in dem 1941 gegründeten Büro der österreichischen Sozialisten, das für die
politische Arbeit und als politische Vertretung der österreichischen Sozialisten in England
zuständig ist (Austrian Labour Club) und von ihrem Mann sowie Oskar Pollak geleitet
wird. Im November 1945 kann das Ehepaar Czernetz zusammen mit 17 weiteren sozial-
demokratischen EmigrantInnen nach Österreich zurückkehren. Karl Czernetz ist in der
Zweiten Republik ein führender SP-Funktionär und gilt als Parteiideologe. 1978 wird ein
Gemeindebau in Wien 15, Clementinengasse 11–17 nach ihm benannt, seit 1983 gibt es
den Czernetzplatz im 22. Wiener Gemeindebezirk. Auch M. C. setzte ihre politische Ar-
beit für die SPÖ nach ihrer Remigration fort und war unter anderem von 1968 bis 1972 im
Frauenzentralkomitee tätig. Am 2. Jänner 1996 stirbt sie in Wien.
L.: Dokumentationsarchiv 1985, Dokumentationsarchiv 1992a, Dokumentationsarchiv 1998
(Ergänzungsbd. 2001), Weblexikon der Sozialdemokratie: www.dasrotewien.at
Karin Nusko
Czerni Margret, verh. Sattlberger; Bibliothekarin, Schriftstellerin, Kulturpublizistin und
Theaterkritikerin
Geb. Wien, 27. 12. 1926
Ausbildungen: Studium der Englisch-Dolmetsch- und Übersetzerausbildung sowie Anglis-
tik und Theaterwissenschaften an der Universität Wien. Schauspielstudium sowie Ausbil-
dung zur Bibliothekarin für wissenschaftliche Bibliotheken, jeweils mit Abschluss.
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 1, A – H
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1422
- Category
- Lexika