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doch sie muss nach Europa zurückkehren, um dort ihr Noviziat zu absolvieren. Nach ihrer
Ankunft in Tirol spricht A. D. mit dem dortigen Pater Rochus Rimmel über die kirchen-
rechtliche Unvereinbarkeit ihrer beiden Berufungen als Ärztin und Nonne. Der Pater rät ihr,
eine eigene Kongregation zu gründen, die ihre beiden Berufungen vereinigt, allerdings mit
Erlaubnis der katholischen Kirche und innerhalb dieser.
A. D. verlässt Europa bald wieder, um in den Vereinigten Staaten Spendengelder für den
Ausbau des Spitals in Rawalpindi zu organisieren und um auf die Lage der Entwicklungslän-
der aufmerksam zu machen. 1925 befolgt sie den Rat Pater Rimmels und gründet gemeinsam
mit drei Mitschwestern die missionsärztliche Kongregation „SAMM“ (Society of Catholic
Medical Sisters) mit Sitz in Washington, Von dort aus versucht A. D., Bewerberinnen für die
Mission in Indien zu finden.
A. D.s Stellung innerhalb der katholischen Kirche war nicht fest umrissen. Die Kirche be-
harrte zwar weiterhin auf der Trennung von geistlicher Berufung und ärztlicher Tätigkeit,
gleichwohl agierte A. D. mit Erlaubnis der kirchlichen Instanzen. Als Nonne wurde sie nicht
voll anerkannt und man verweigerte ihr die höheren Weihen. Auf eine Änderung der offiziel-
len Haltung der katholischen Kirche gegenüber ärztlicher Tätigkeit der Ordensleute, beson-
ders der weiblichen, muss A. D. noch ein Jahrzehnt warten. Unter Papst Pius XI. wurden 1936
die weiblichen Mitglieder von missionsärztlichen Orden verpflichtet, Diplome als Ärztinnen
oder Pflegerinnen zu erlangen. Als Gründerin der Missionsärztlichen Schwestern und Vor-
kämpferin einer Entwicklung, die Papst Pius XI. in seiner Rede am 11. Februar 1936 in Rom
mit den Worten „Heldentum ohne Fachkenntnisse genügt nicht mehr“ sanktionierte, blieb
A. D. kaum noch Zeit, ihre Arbeit in den Entwicklungsländern fortzusetzen. Sie organisiert
von dem 1939 in Philadelphia geweihten Mutterhaus aus die Entsendung ihrer Missions-
ärztlichen Schwestern in alle Welt. Angesichts des drohenden Weltkrieges nimmt A. D. 1939
die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Erst 1941 werden die Missionsärztlichen Schwes-
tern offiziell und kirchenrechtlich als Kongregation anerkannt. Somit dürfen ihre Mitglieder
das ewige Gelübde ablegen. A. D. ist die erste unter ihnen die das Gelübde ablegt. Für die
nunmehr fast fünfzigjährige Frau geht ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung.
Während des 2. Weltkriegs sind A. D. und ihre Mitschwestern nicht nur in den Entwicklungs-
ländern tätig, sondern widmen ihre Fähigkeiten auch den Randgruppen im eigenen Land. Das
Ziel der Missionsärztlichen Schwestern ist es, Spitäler und Ambulanzen zu gründen und die
funk
tionierenden Einrichtungen an einheimische Fachleute und Trägerorganisationen zu über-
geben.
Bald nach Beendigung des 2. Weltkriegs begibt sich A. D. 1947 auf eine große Visitations-
reise durch die ganze Welt. 1949 kommt sie bei dieser Gelegenheit auch nach Tirol und
besucht ihre Familie. 1967, im Alter von 75 Jahren, tritt A. D. von ihrem Amt als Oberin der
Missionsärztlichen Schwestern zurück.
Heute gibt es Niederlassungen der Missionsärztlichen Schwestern in neun Ländern Afrikas,
zahlreiche Spitäler in Indien, Pakistan und Bangladesch, in Indonesien und auf den Philip-
pinen, schließlich in Peru, Brasilien und Venezuela. Die von vier mutigen Frauen gegründete
Kongregation ist zu einem weltumspannenden Netz geworden. In einem der Spitäler der
Missionsärztlichen Schwestern in Indien hat Mutter Teresa ihre Kenntnisse der Kranken-
betreuung erworben. 1975 feiern die Missionsärztlichen Schwestern ihr 50jähriges Jubiläum,
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 1, A – H
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1422
- Category
- Lexika