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schließend in einem französischen Internat von einem Herrn Wiespolsky in Klavier unter-
richtet. Am 1. September 1865, mit 14 Jahren, bestand A. v. E. die Aufnahmeprüfung am
Konservatorium in St. Petersburg und studierte zunächst in einer Vorbereitungsklasse bei
Alexander Villuan und Karl von Ark, bevor Theodor Leschetitzky sie am 1. Januar 1866 als
Schülerin übernahm.
Laufbahn: Zunächst in Russland als Klaviervirtuosin tätig, unternahm A. E. ab 1875 Kon-
zertreisen durch Europa. A. v. E. trat u. a. regelmäßig in Berlin, London, Paris, Wien, Riga,
Moskau und St. Petersburg sowie in weiteren europäischen Metropolen auf. Eine in der
Presse vielbeachtete Tournee mit insgesamt 106 Konzerten führte sie von Oktober 1876
bis Juni 1877 durch die USA. Im Jahr 1878 ließ sie sich gemeinsam mit ihrem späteren
Mann, Theodor Leschetitzky, in Wien nieder. Parallel zu ihrer Laufbahn als Pianistin war
A. v. E. auch eine gefragte Klavierpädagogin. Nachdem ihr Mann 1878 die Klavierschule
„Lesche
titzky School of Pianists“ in Wien gegründet hatte, leitete A. v. E. dort die Vorklasse.
In dieser unterrichtete sie z. B. Ignaz Jan Paderewski und auch Artur Schnabel, der dort
1890 mit neun Jahren aufgenommen worden war. In seinen Lebenserinnerungen schrieb er
rückblickend: „Im ersten Jahr wurde ich eigentlich von seiner [Theodor Leschetizkys] Frau,
Madame Essipoff, einer damals berühmten Klaviervirtuosin betreut, und er hörte mich nur
gelegentlich. Madame Essipoff war sehr freundlich zu mir. Ich mußte Etüden und Übungs-
stücke, hauptsächlich Czerny, spielen, wie ich mich erinnere. Sie pflegte eine Münze auf
meine Hand zu legen, eine Silbermünze, fast so groß wie ein Silberdollar, einen Gulden, und
wenn ich eine Czerny-Etüde spielte, ohne die Münze fallen zu lassen, durfte ich sie behalten.
Ich finde, das war reizend von ihr.“ (Schnabel 1991, S. 22)
A. v. E. lebte jedoch bis zu ihrer Scheidung 1892 vorwiegend als reisende Musikerin und
kehrte dann nach St. Petersburg zurück. Sie galt als eine der herausragendsten Klavier-
virtuosInnen ihrer Zeit. Leidenschaftlichkeit und poetische Auffassung wurden als Vor-
züge ihres Spiels gerühmt. Eduard Hanslick schrieb über ihr Spiel „Mit einer für eine
zarte Frau ganz ungewöhnlichen Kraft [ … ], packte Frau Essipoff das Rubinsteinsche
D-moll-Concert mit einem Sturm von Octavengängen, ließ es im Andante in den zar-
testen Silberfäden schimmern und führte es im Finale triumphirend auf die Höhe. [ … ]
Frau Essipoffs Vortrag des B-dur-Trios von Schubert bestätigte unsere Vermuthung, daß
das eigentlich virtuose Können und die Freude daran in dieser Künstlerin überwiegen;
der erste Satz und das Andante verriethen bei großer Sauberkeit der Ausführung doch
nur geringe innere Betheiligung an der Composition, während die beiden glänzenderen
und schwierigeren Sätze, Scherzo und Finale, alle Lebensgeister der Pianistin weckten.“
(Hanslick 1886, 94)
Von 1893 bis 1908 war sie Professorin am Sankt Petersburger Konservatorium. Zu ihren
SchülerInnen gehörten Thomas de Hartmann, Leonid Kreutzer, Anastasia Virsaladze und
Sergei Prokofjew. Sie pflegte ihre SchülerInnen auch dadurch zu unterstützen , indem sie mit
ihnen gemeinsam Konzerte gab und ihnen somit den Einstieg ins Berufsleben erleichterte.
A. v. E. galt als herausragende Interpretin von Kompositionen des 19. Jahrhunderts, beson-
ders jenen der französischen Schule. Darüber hinaus trat sie mit nahezu dem gesamten klas-
sisch-romantischen Repertoire auf, u. a. mit Werken von Johann Sebastian Bach, Ludwig
van Beethoven, Franz Schubert, Robert Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 1, A – H
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 1, A – H
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1422
- Category
- Lexika