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rin und erteilte privaten Tschechischunterricht. Ab 1919 schrieb sie regelmäßig Feuilletons
für die Prager „Tribuna“. Sie war bald als Journalistin anerkannt. Bis zu ihrem Tod verfasste
sie mehr als 400 Zeitungsbeiträge. Ab 1920 korrespondierte sie mit Kafka, dessen Wer-
ke sie schon bald übersetzte, und dessen Tagebücher sie von ihm bekam. 1922 wechselte
sie zur finanziell besser gestellten Zeitung „Národní Listy“. Ihre unglückliche Ehe trieb
sie in die Kokainsucht. Nach der Trennung von Pollak richtete sie in ihrer Wohnung eine
Pension mit Mittagstisch ein. Nach ihrer Scheidung verbrachte sie neun Monate bei ihrer
Jugendfreundin Alice Rühle-Gerstel in Buchholz bei Dresden. Dieser Aufenthalt wurde für
sie politisch prägend. Der Sozialismus wurde die „wichtigste Sache der Welt“. Zurück in
Prag lebte sie sich sehr rasch in die Szene der tschechischen Avantgarde ein. Sie redigierte
unter anderem 1926–1928 die Zeitschrift „Pestrý týden“ (Bunte Woche). Während einer
Schwangerschaft wurde sie schwer krank und war fast über ein Jahr bettlägerig. Es kam zur
Trennung von ihrem zweiten Ehemann Jaromir Krejcar. Mit einem steifen Knie und mor-
phiumsüchtig kehrte sie aus einem Kuraufenthalt nach Prag zurück. Sie nahm Kontakt zur
kommunistischen Partei auf, schrieb für mehrere Parteizeitschriften der KP und verdeckt
unter fünf Pseudonymen auch für sozialdemokratische Zeitungen. In den dreißiger Jahren
arbeitete sie mit dem kommunistischen Journalisten Julius Fucik zusammen. Sie brach 1936
mit der Partei. 1935 nahm sie Kontakt zum Widerstand auf, schrieb für die illegale Zeitung
„V Boy“ und verhalf vielen Menschen zur Flucht. 1937 wurde sie bei der liberalen Zeit-
schrift „Pritomnost“ (Gegenwart) fest angestellt. Sie schrieb politische Reportagen. Als ihr
jüdischer Lebensgefährte Evgen Klinger mit Hilfe ihres Vaters fliehen konnte, wollte sie in
Prag bleiben, weil es dort für sie so viel zu tun gäbe. In ihren Feuilletons über Mode, Kino
und Architektur verbarg sie die Radikalität ihrer politischen Position. Ihre frühen Feuil-
letons erschienen unter ihrem Pseudonym A. X. Nessey. Als sie Mitte der zwanziger Jahre
schon sehr bekannt war, zeichnete sie mit „Milena“. 1939 wurde die „Pritomnost“ eingestellt,
sie musste wöchentlich Gestapo-Verhöre über sich ergehen lassen, konnte durch taktisches
Verhalten aber immer wieder die Vorwürfe gegen sie entkräften. Sie hielt weiterhin zu ihren
jüdischen Freunden und versteckte bedrohte Flüchtlinge. Im November 1939 wurde sie
jedoch verhaftet und ins Prager Pankrac-Gefängnis deportiert, kurz danach kam sie ins
Lager für „Jüdisch-Versippte“ nach Beneschau und von dort in das Untersuchungsgefängnis
nach Dresden. Sie wird angeklagt an illegalen Zeitungen mitgearbeitet zu haben, mangels
Beweisen kommt es jedoch zu einem Freispruch. Wieder in Prag teilte ihr die Gestapo mit,
dass sie in präventive Schutzhaft genommen wird und aus „Umerziehungsgründen“ in das
KZ Ravensbrück deportiert werden soll. Sie kam in einem sehr schlechten Gesundheits-
zustand an und arbeitete in der Schreibstube des Krankenreviers. Sie hatte die Kartei der
Geschlechtskranken zu führen, die sie oft zum Vorteil der Gefangenen fälscht. Von einer
eitrigen Nierenentzündung und der notwendige Operation erholte sie sich nicht mehr. Sie
stirbt am 17. Mai 1944.
Ihr Name war im kommunistischen Prag der Nachkriegszeit tabuisiert, erst durch die Veröf-
fentlichung der Briefe Kafkas an sie tauchte sie wieder aus der Vergangenheit auf.
Ausz.: 1995 wurde ihr posthum das „Certificate of Honour“ der Jerusalemer Yad Vashem
Gedenkstätte verliehen. Ein Café in Prag wurde nach ihr benannt.
W.: „Alles ist Leben. Feuilletons und Reportagen 1919–1939. Hg. Dorothea Rein“ (1984),
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 2, I – O
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 2, I – O
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1026
- Category
- Lexika