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Kunke1856
Ausbildungen: Volks- und Bürgerschule; Lehrerinnenseminar (Wien 1, Hegelgasse); zwei
Jahre am Pädagogischen Institut der Stadt Wien; Studium der Rechts- und Staatswissen-
schaften an der Universität Wien, Studium nicht beendet.
Laufbahn: St. K. unterrichtet als Hilfslehrerin an der Volks- und Hauptschule für Mädchen
in der Feldgasse im 13. Wiener Gemeindebezirk. Sie wird Führerin der Sozialistischen Ar-
beiterjugend und ist nach Februar 1934 Mitglied des Zentralkomitees der Revolutionären
Sozialistischen Jugend. Sie lebt mit ihrem Mann in einer Wohnung in der Wiener Ziegler-
gasse, die zum Treffpunkt der Leitung der illegalen Jugendbewegung wird. Zu dieser Zeit
ist St. K. arbeitslos. Das Paar lebt im Wissen, der Gestapo bekannt zu sein und jederzeit
abgeholt werden zu können. Im Jahr 1936 werden die Kunkes wegen Verbreitung illegaler
sozialistischer Literatur verhaftet. Beide werden zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verur-
teilt (7 Monate für St. K., 18 Monate für Hans Kunke) und später aufgrund des Amnesti-
sierungsgesetzes freigesprochen. Im Sommer 1937 geben beide ihre Funktionen in der RSJ
auf, um sich stärker in Niederösterreich engagieren zu können. Am 20. 5. 1938 werden sie
erneut wegen Betätigung für die RS von der Gestapo verhaftet und ins KZ Lichtenburg
eingewiesen. St. K. ist eine der ersten bekannten SozialistInnen, die ins KZ deportiert wer-
den. Im Mai 1939 wird sie ins KZ Ravensbrück überführt, wo sie auf Käthe Leichter und
Rosa Jochmann trifft. St. K. wird Blockälteste; sie deckt die anderen Häftlinge, meldet das
Vergehen einer ihrer Stubenältesten nicht und wird deshalb zu 2 Jahren im Strafblock ver-
urteilt. Der Strafblock muss gemeinsam mit den jüdischen Intellektuellen am Ausbau des
Lagers arbeiten, weshalb St. K. während Schwerstarbeit unter extremen Bedingungen hin
und wieder ein paar Worte mit Käthe Leichter wechseln kann. Zu Pfingsten 1940 verord-
net Himmler persönlich die Strafe von 25 Stockhieben, die sie ohne einen Laut und ohne
Mithäftlinge zu denunzieren über sich ergehen lässt. Im Frühjahr 1941 wechselt St. K. in
den politischen Block und wird Blockschreiberin unter Rosa Jochmann. Diese Zeit wird
von dem befreundeten Mithäftling Helene Potetz als St. K.s glücklichste Zeit im Lager
beschrieben, in der sie mehrere Gedichte, Märchen und ein Kinderbuch verfasst. Die Texte
werden von den anderen Gefangenen sehr geschätzt, müssen jedoch 1943, als Jochmann in
den Strafblock verbannt wird, wegen ihres politischen Inhalts vernichtet werden. St. K. lei-
det an Herzproblemen, zudem haben die Jahre im Strafblock ihre Spuren hinterlassen. Im
Frühjahr 1942 wird die körperlich schwache St. K. zur Arbeit an der Erweiterung des Lagers
Auschwitz gezwungen. Sie ist davon überzeugt, nicht mehr zurückzukehren. St. K., die in
ihren frühen Briefen an ihre Tante noch Optimismus ausgedrückt hat, verliert nun den
Lebenswillen. Kurz nach der Ankunft erkrankt St. K. an Typhus, wovon sie sich nicht mehr
erholt. In ihren letzten Tagen phantasiert sie von ihrem Zuhause. Sie wird im KZ Auschwitz
von Obersturmbannführer Otto Max Koegel zu Tode geprügelt.
Ausz.: Im Jahr 1954 wird im 23. Bezirk eine Gasse nach dem Ehepaar benannt (Kunkegasse).
Grabdenkmal am Hietzinger Friedhof.
Qu.: DÖW, Akt 3188 und 03671; Briefe St. K.s aus dem KZ an ihre Tante Flora Kunke
sind teilweise erhalten, sie sind Teil der Sammlung Michel Brisebois in der Bibliothek der
McMaster University in Hamilton/Ontario, USA. Die Sammlung wird sukzessive online
zugänglich gemacht, ein Brief findet sich unter http://digitalcollections.mcmaster.ca.
W.: Gedichte (fallweise veröffentlicht), u. a. „Einer neuen Zukunft entgegen“, ident mit
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 2, I – O
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 2, I – O
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1026
- Category
- Lexika