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Mairold | M 2079
Mairold Maria; Bibliothekarin
Geb. Graz, Stmk., 11.6.1916
Gest. Graz, Stmk., 23.3.2015
Herkunft, Verwandtschaften: M. M. wurde mitten im Ersten Weltkrieg, am 11.Juni 1916
in Graz als zweites von vier Geschwistern geboren. Ihr Vater Peter Mairold war ein „über-
zähliger“ Sohn einer Bauernfamilie in der Umgebung von Graz, die Eltern ihrer Mutter
Ludmilla, geb. Gruber stammten aus der südöstlichen Steiermark. Großmutter Gruber er-
öffnete einen Modesalon, in dem später auch die Mutter arbeitete (bereits um 1900 wurde
alljährlich mit den drei Gehilfinnen ein Betriebsausflug gemacht).
Ausbildungen: Der Lehrerin fiel das interessierte und begabte Kind auf und sie riet der Mutter
nach der damals noch fünfklassigen Volksschule, sie die Aufnahmsprüfung in die Mittelschule
machen zu lassen. 1935 legte sie die Reifeprüfung ab und begann an der Universität Graz
das Studium von Latein und Geschichte. Es war kein leichter Weg; ihre Kleidung bestritt sie
durch Nachhilfeunterricht in Latein und Mathematik. Nach dem „Anschluss“ musste auch sie,
obgleich nicht rassisch verfolgt, bald erkennen, wie finster die Zeiten waren: 1938 sah sie von
der elterlichen Wohnung aus den sog. „Judentempel“ brennen. Ihr „Doktorvater“, der Althis-
toriker und Epigraphiker Franz Schehl, wurde aus rassischen Gründen sofort fristlos entlassen
(seine Mutter war Jüdin); er konnte nach England und dann in die USA flüchten. M. M. stand
noch weiter in brieflichem Verkehr mit ihm. Ein anderer Hochschullehrer, der Historiker
Hugo Hantsch, kam ins KZ (er überlebte). Am 19.9. 1939 fand ihre Promotion statt.
Laufbahn: Schon frühzeitig hatte sie den Berufswunsch gehabt, in einer wissenschaftlichen
Bibliothek tätig zu sein, wobei ihr ursprünglich die Steirische Landesbibliothek vor Augen
gestanden war, die sie seit ihrer Kinderzeit benützte. Sie sprach nun beim Direktor der
Universitätsbibliothek Graz, Dr. Franz Gosch (1934 –1945), wegen einer Anstellung vor.
Dieser teilte ihr aber mit, er benötige unbedingt jemand mit guten Kenntnissen arabischer
Sprachen – der wahre Grund der Abweisung war, dass ihm ihre christlich-soziale Einstel-
lung und ihre Verwandtschaft mit der Frau des bisherigen Landeshauptmannes Dr. Karl
Stepan bekannt war, mit der er früher freundschaftliche Kontakte gepflegt hatte. Dr. Gosch
war schon 1934 bei der Vaterländischen Front, daneben aber auch Mitglied der NSDAP, wie
sich 1938 herausstellte. Der Bibliothekar Dr. Wolfgang Benndorf, der wegen seiner politi-
schen Einstellung 1938 entlassen wurde und 1945 Dr. Gosch als Direktor nachfolgte, be-
scheinigte diesem maßlose politische Verblendung, allerdings sei er gegen seine Mitarbeiter,
auch gegen „politisch unzuverlässige“, nicht gehässig verfahren. (Hirschegger, S.31 f.) M. M.
hatte jedenfalls bei ihm keine Anstellungschance. So half sie zunächst in der Pfarre Karlau
eine wegen des Kirchensteuergesetzes erforderliche Mitgliedskartei anzulegen. 1940 fand
sie eine Stelle in der Buchhaltung des Schutzverbandes der Brauereien.
Erst nach dem Krieg konnte sich Univ. Prof. Dr. Tautscher für sie bei dem nunmehrigen
Bibliotheksdirektor Dr. Benndorf einsetzen und mit 1.1.1946 trat sie in der Universitäts-
bibliothek Graz den Dienst an. Bald absolvierte sie die bibliothekarische Ausbildung an
der Österreichischen Nationalbibliothek: „Im schlimmen Winter 1946/47 war ich in Wien
an der ÖNB. Mit im Kurs war unter anderen Maria Razumovsky“ erzählte sie. Auch die
spätere Direktorin der Papyrussammlung, die Arabistin Dr. Helene Löbenstein, sowie der
spätere Universitätsprofessor Dr. Leo Mikoletzky nahmen an diesem bemerkenswerten ers-
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 2, I – O
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 2, I – O
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1026
- Category
- Lexika