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nach ihr auf einen AkademikerInnenposten im Außenamt übernommen wurde, aber zehn
Jahre älter als J. N. war und bereits 1959 in Oslo zur Botschafterin bestellt wurde. J. N.s
„Zugeteilter“ in New Delhi war zunächst Dr. Herbert Amry, „der beste, den ich je hatte“ (so
J. N.). Er befand sich bereits seit längerem an der Botschaft, als sie kam, und unterstützte
sie gemeinsam mit seiner Frau Marlen sehr wirkungsvoll. (Herbert Amry erlitt 1985 als
Botschafter in Athen einen frühen und plötzlichen Tod unter ungeklärten Umständen
– war
der pflichtbewusste Beamte Waffenschmugglern im Wege gestanden?). Einmal kam zum
allgemeinen Staunen die damalige Ministerpräsidentin Indira Gandhi zu Besuch in die
Österreichische Botschaft, was sich die Diplomatenkollegen damit erklärten, dass „der Bot-
schafter“ eine Frau sei. Ihre schriftlichen Berichte waren so interessant, dass sie der damalige
Bundespräsident Franz Jonas zur Lektüre
– auch für seine Frau – nach Hause mitnahm.
Ihr nächster Auslandsposten war die Leitung der Botschaft in Israel 1972–1976; sie hatte
sich dies gewünscht, „um zu erfahren, wie es dort wirklich ist“, und zur Vorbereitung bei
Kurt Schubert, Univ.-Prof. für Judaistik an der Universität Wien, Abendkurse besucht, so-
dass sie ihre Begrüßungsworte bereits hebräisch sprechen konnte. Allerdings musste sie
einige Unregelmäßigkeiten abstellen und verhindern, womit sie sich Feinde machte und
zum Ziel von Intrigen wurde, durch die sie sich jedoch nicht beirren ließ. Sie erlebte u. a. den
Yom-Kippur-Krieg (1973), den Bürgerkrieg im Libanon (1976), den Aufstand der Araber
in Israel und im besetzten Gebiet (1976), die Besuche des deutschen Bundeskanzlers Willi
Brandt (1973), von U. S.-Präsident Nixon (1974) oder von Staatssekretär Henry Kissinger
1974 und 1975 in Israel. Ihre politischen Berichte mit ihren Analysen und Kommentaren
stellen eine so wertvolle zeitgeschichtliche Quelle zur damaligen Innen- und Außenpolitik
Israels und damit zur Nahostpolitik insgesamt dar, dass sie 2006 von dem Univ.-Prof. für
Zeitgeschichte Rolf Steininger und dem Diplomaten Rudolf Agstner unter dem Titel „Is-
rael und der Nahostkonflikt 1972–1976“ herausgegeben wurden. In besonderer Erinnerung
blieben ihr auch der offizielle Besuch des israelischen Außenministers Abba Eban in Wien
im März 1973, den sie begleitete, sowie die Besuche von Bundeskanzler Bruno Kreisky
1974 und von Außenminister Erich Bielka 1975 in Israel; Kreisky, der nach dem Yom Kip-
pur-Krieg mit einer Gruppe der Sozialistischen Internationale kam, schien zunächst nervös,
sei aber entgegen seinen Erwartungen freundlich empfangen worden und habe durch seine
Intelligenz und Eloquenz beeindruckt, erzählte sie.
Zuletzt wurde sie 1979 Botschafterin in Irland, wo sie im selben Jahr den Besuch des Paps-
tes Johannes Paul II. erlebte, welcher Grüße des Wiener Kardinals Dr. Franz König über-
brachte. Sie fühlte sich in diesem Land sehr wohl und konnte interessante Informationen
bezüglich der EU beschaffen, weil Irland bereits Mitglied war. Mit 2. Dezember 1982 wurde
sie von Dublin „in die Zentrale einberufen“ und trat mit Ablauf desselben Monats in den
Ruhestand. Bis ins hohe Alter blieb sie politisch und kulturell interessiert.
Sie starb am 11. Oktober 2012 und wurde am 22. Oktober 2012 am Wiener Zentralfriedhof
nach römisch-katholischem Ritus bestattet.
Ausz.: Venezolanischer Orden Francisco Miranda II. Kl. (1977); Großoffizier d. Spanischen
Ordens Isabella die Katholische (1978); Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um
die Republik Österreich (1983). J. N. und die Journalistin Pia Maria Plechl waren die ersten
Frauen, die in den „Ritterorden vom Heiligen Grab“ aufgenommen wurden.
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 2, I – O
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 2, I – O
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1026
- Category
- Lexika