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Bettler bewirten, und sie wurden stets mit ein paar Kreuzer und einer Wegzehrung versorgt.
In Murau ließ sie das Spitalsgebäude erweitern. In der Elisabeth-Spitalskirche wirkten bis
1599 ununterbrochen sieben evangelische Pfarrer, sechs davon zu ihren Lebzeiten. Ihre För-
derung der reformatorischen Lehre ist noch nicht im vollen Umfang erforscht. In innerpro-
testantische Streitigkeiten hat sie aktiv eingegriffen und vehement gegen den Flacianismus
(zurückgehend auf die Lehren des streng lutherischen Theologen Matthias Flacius Illyricus
[1520 –1575] insbesondere seine zugespitzt formulierte Erbsündenlehre) Position bezogen,
indem sie als Grundherrin von Afritz und Treffen flacianisch gesinnte Bauern vertreiben
ließ. Ein heute in Privatbesitz befindliches Exemplar der Schrift des entschiedenen An-
tiflacianers Simon Musäus (1529–1582) „Postilla, das ist die Auslegung des Evangelii und
aller Episteln […], Frankfurt 1570–1572“ dürfte A. N. für einen evangelischen Pfarrer im
Gegendtal angeschafft haben.
A. N. blieb aber auch von abfälliger Kritik nicht verschont. Zum einen waren es ihre Spar-
samkeit und Strenge, mit der sie ihr Riesenvermögen verwaltete, zum anderen brachten sie
ihre Heiraten ins Gerede. So kam es, dass sie der Hexerei beschuldigt wurde und sich zwei
Mal in Prozessen dagegen verantworten musste. Beide Male endeten die Anklagen mit
ihrem Freispruch und der Verurteilung der Anschuldiger.
Ihre Tochter Elisabeth war nach etwa sechsjähriger Ehe 1587 Witwe geworden, jedoch
war auch die 1589 mit dem Freiherrn Christoph von Auersperg († 1592) beschlossene Ehe
kinderlos geblieben. 1592 traf A. Vorkehrungen für den Fall ihres Ablebens. Ihrem Mann
sprach sie die Nutzungsrechte der Herrschaft Murau auf Lebenszeit zu; ihrer Tochter Eli-
sabeth verschrieb sie die Herrschaft Murau. A. gedachte auch ihrer verstorbenen Eltern und
Geschwister. 1593 ließ sie ein großes, vier Meter langes Ölbild zu deren Gedenken malen.
Das Bild zeigt ihre Mutter Barbara und ihren Stiefvater Hans Seenuß sowie die zwei Brüder
Moritz und Georg und ihre Schwester Barbara. Das Bild hing ursprünglich vermutlich in
der Pfarrkirche in Treffen und befindet sich heute im Stadtmuseum Villach (Inv. Nr. 1309
bzw. Gemälde-Inv. Nr 309). Für A. müssen der Schmerz und die Enttäuschung sehr groß
gewesen sein, als Elisabeth bald nach 1598 starb. Carl von Teuffenbach verschied 1610. A.
setzte als Patronatsherrin der katholischen Pfarrkirche in Murau durch, dass der Protestant
dort in aller Stille in der Liechtensteinschen Familiengruft beigesetzt wurde. In der Pfarr-
kirche erinnern heute noch zwei 174 cm hohe Messingkerzenhalter an die Murauer Herrin,
die diese 1605 in Nürnberg anfertigen ließ und der Pfarrkirche zum Geschenk gemacht
hatte.
Die mittlerweile 75jährige A. stand nun vor dem Problem, für ihren Besitz einen passenden
Erben zu finden. Ihre Wahl fiel dabei auf den etwa 30jährigen Graf Ferdinand von Salaman-
ca-Ortenburg, dem Urenkel des aus Spanien stammenden Günstlings und engen Beraters
Ferdinands I., Gabriel Salamanca († 1539). Ihm hatte Ferdinand die Grafschaft Ortenburg
in Kärnten zu Lehen gegeben. Die Eheschließung nach Ablauf des Trauerjahres war wohl
anstelle einer Adoption gedacht. Der junge Graf war von schwacher Gesundheit und starb
nach fünf Ehejahren. Er selbst hatte die Ehe gar nicht angestrebt, jedoch hofften die Brüder,
ihre maroden Finanzen durch die in Aussicht stehende Erbschaft der Herrin von Murau
zu sanieren. Doch dies erwies sich als Trugschluss, vielmehr mussten sie der verwitweten
alten Dame die bei ihr aufgenommenen Darlehen von etwa 82.000 Gulden zurückerstatten.
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 2, I – O
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 2, I – O
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1026
- Category
- Lexika