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ehemalige gemietete Backstube beim Goldenen Rössl in der Josefstadt bewarb. Doch das
gestattete ihr die Zunft nicht, da diese Backstube an ihren eigentlichen Besitzer Anton Loy
zurückfallen sollte. Dieser aber hatte sie Franz Wagner überlassen, der darauf das Bürger- und
Meisterrecht erhielt. Gleichzeitig versuchte Anton Loy, Wagner wieder aus dem Backhaus
fortzudrängen, um selbst wieder als Bäcker tätig sein zu können, obwohl er 1757 wegen sei-
nes schlechten Mehles und Brotes genötigt war, die Backstube im Beisein der ganzen Bä-
ckerzunft dem Wagner zu übertragen, wodurch er seine Unfähigkeit zur Betreibung dieses
Gewerbes eingestehen und sein Meisterrecht zurücklegen musste. Wollte er die Bäckerpro-
fession wieder betreiben, so müssten zwei Meisterrechte auf dasselbe Backhaus verliehen wer-
den, deshalb wurde ihm die Wiederaufnahme seines Berufs nicht gestattet und ihm vielmehr
aufgetragen, seine Backstube Frau P. oder einem anderen Bäcker gegen einen billigen Preis
zu verkaufen. Anscheinend war es A. M. P. nicht gelungen, diese Backstube zu betreiben: Sie
tauchte zehn Jahre später als einziges Mitglied der Bäckerzunft ohne Backstube und mit zu
geringem Kapital wieder auf, um überhaupt eine solche betreiben zu können. Im Jahr 1774,
drei Jahre nach einer letzten Nachricht von ihr, wurde A. M. P. in der Roßau als am 24. März
verstorben gemeldet. Ihre Verlassenschaftsabhandlung verschafft uns einen Überblick über
die von ihr hinterlassenen Vermögenswerte: Aufgrund dessen, dass sie kein Testament hin-
terließ, wurde das Erbe unter ihren Kindern aufgeteilt: dem Pater Philippus, der 23-jährigen
Barbara und dem 20-jährigen Studenten Anton. Als Gerhab der beiden jüngeren, minderjäh-
rigen Geschwister wurde der bürgerliche Bäckermeister Andre Appel im Mölker Hof ein-
gesetzt. Das Vermögen bestand aus einigen Kleidungsstücken, meist alt und in schlechtem
Zustand, etwas Bettwäsche, einigen Möbeln und Zinngeschirr, sowie Schulden, die sie nicht
mehr hatte bezahlen können. Die Kinder hatten Kleidung und Einrichtung schon unter sich
aufgeteilt; das Abfahrtgeld von 30 fl. 24 Xr. wurde ihnen erlassen. Der Gerhab hatte das spär-
liche Bargeld zu verwalten, das nach Abzug der Steuern und Taxen
– und weil die Gläubiger
auf die Bezahlung der Schulden zugunsten der Kinder verzichteten – übriggeblieben war:
38 fl. 50 Xr. Zu bedenken ist dabei, dass A. M. P. 1761 über genügend Kapital verfügte, sich
eine Backstube zu mieten und diese auch zu betreiben. Zehn Jahre später aber war sie fast
gänzlich verarmt, und weitere drei Jahre danach verstarb sie mit einer Verlassenschaft von
38 fl. 50 Xr., wobei diese Summe mehr oder weniger dem Wert der hinterlassenen – alten
und abgenutzten – Kleider und Möbel entsprach. Allein aus diesem Grund ist vorstellbar,
wie wichtig der Erhalt einer Backberechtigung für das Überleben war. Weil sie nicht wieder
geheiratet hatte, blieb ihr die Möglichkeit versagt, sich und ihre Kinder vom Gewerbe eines
neuen Ehemannes zu ernähren. Vielleicht war sie aber für die damalige Auffassung schon zu
alt, um nochmals zu heiraten. Außerdem besaß sie keine eigene Backstube mehr, weshalb sie
für einen heiratswilligen Gesellen nicht mehr von Interesse sein konnte.
Qu.: WStLa, Alte Registratur. Bericht vom 13. März 1761. WStLa, Alte Ziviljustiz. Verlas-
senschaftsabhandlung vom 24. März 1774.
L.: Kretschmer 2000 Sigrid Kretschmer
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 3, P – Z
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1238
- Category
- Lexika