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heiratet Anfang der Dreißigerjahre Hans Petter, einen Nichtjuden. Hans Petter betreibt ein
kunstgewerbliches Atelier für Holzkunst im 5. Wiener Bezirk, 1935 wird Sohn Herbert ge-
boren. Mit ihrem Gatten und Sohn lebt H. P. im 1. Wiener Bezirk, Naglergasse 10 /4. Nach
der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten legt man Hans Petter nahe sich von
seiner jüdischen Frau scheiden zu lassen, was dieser ablehnt. Überlegungen nach den USA
oder Kanada zu gehen, wohin Hans Petter durch sein Atelier Verbindungen hatte, zerschla-
gen sich. H. P.s Schwester, Rosa Reisz, (geb. 9. Juni 1907) kann mit ihrem Mann flüchten,
die Mutter, Malzia Maria Jesse, geb. Leichner (geb. 5. Juli 1887, gest. 3. Mai 1961) bleibt
in Wien und muss bald nach dem sogenannten „Anschluss“ aus ihrer Wohnung ausziehen
und findet Unterkunft in einem Haus in der Riemergasse Ecke Singerstraße im 1. Bezirk,
in welches zahlreiche jüdische Familie umquartiert worden waren. Als die Deportationen
beginnen bleibt Malzia Maria Jesse immer öfter diesem Quartier fern und wird ab Oktober
1941 von ihrer Tochter H. P. aufgenommen, wo sie bis Kriegsende bleibt.
Zur Lebenssituation als selbst Verfolgte und gleichzeitig als Helferin ihrer Mutter: H. P.
selbst verhielt sich so unauffällig wie möglich, auch das Kleinkind war angehalten sich leise
zu verhalten und entwickelte sich (nach Aussagen der Tante Rosa) von einem äußerst leb-
haften, fröhlichen Kind zu einem stillen und ernsten. Nach der Großmutter gefragt, ver-
neinte der Bub stets sie gesehen zu haben. Er musste so instruiert worden sein. Das Kind
ging auch nicht zur Schule, Herbert wurde von seiner Mutter daheim unterrichtet. (So gut,
dass er 1945 gleich ins Gymnasium eingeschult werden konnte.)
H. P.s Gatte wurde eingezogen, konnte aber von seinem Standort immer wieder Lebens-
mittel senden. H. P. blieb mit Sohn und Mutter allein in der Wohnung Naglergasse 10. Die
Situation im Haus war eine gespannte, da über der Familie Petter eine Frau wohnte, die
mit den Nazis sympathisierte und immer wieder Drohungen aussprach. Die Gefahr einer
Anzeige schwebte stets über H. P. Mit einer Durchsuchung der Wohnung, die vermutlich
ein Auffinden der dort unangemeldet wohnhaften Mutter zur Folge gehabt hätte, wäre eine
Verhaftung und die Verbringung in ein KZ von U-Boot und Helferin, und auch des Kindes
wahrscheinlich gewesen.
Einige Lebensmittelhändler in der Nähe gaben H. P. auch ohne die erforderlichen Marken
notwendige Produkte, Verwandte des Gatten halfen ebenfalls.
Zu Beginn der U-Boot-Zeit ging die Mutter noch einige Male außer Haus, z. B. um einen
Arzt aufzusuchen, da sich durch die Aufregungen Herzbeschwerden einstellten. Besonders
kritisch wurde die Lage, als durch Bombenangriffe das Bleiben in der Wohnung immer
schwieriger wurde. Anfänglich vermied man den Gang in den Luftschutzkeller – das Haus
selbst hatte keinen, die Bewohner mussten andere in der Umgebung aufsuchen. Schließlich
wurde es aber unmöglich, in der Wohnung zu bleiben. H. P. ging mit ihrem Sohn in einen
Luftschutzkeller, die Mutter, M. Jesse in einen anderen. So sollte ein Erkennen der Zusam-
mengehörigkeit minimiert werden. Die Familie hatte Glück, sie überlebte. H. P. betreute ihre
Mutter weiterhin.
Qu.: Gespräche mit H. P. und Rosa Reiz (Schwester), Bestätigung der IKG, Dokumente von
M. Jesse.
Brigitte Ungar-Klein
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 3, P – Z
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1238
- Category
- Lexika