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biografiA. - Lexikon österreichischer Frauen, Volume 3, P – Z
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Rohr | R 2729 Wegen der Ausdehnung des Zweiten Weltkrieges auf Russland wird A. R. 1941 plötzlich von der geachteten Moskauer Persönlichkeit zu einer feindlichen Agentin. Sie und ihr Mann werden noch im Juni desselben Jahres wegen Spionageverdachtes verhaftet. Nach einem Aufenthalt im Moskauer Butyrkij-Gefängnis wird sie in ein Gefängnis bei Savatow, einer Stadt an der unteren Wolga im südöstlichen Russland, gebracht. Dort wird sie zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt. Weil sie Ärztin ist wird sie mit einer Männeretappe in ein Holzfällerlager in die Taiga gebracht. Sie erfährt von einem Mithäftling, dass ihr Mann im Saratower Gefängnis umgekommen ist. Obwohl A. R. an einer Ohrenkrankheit leidet, die sie zu häufigen Aufenthalten im La- zarett zwingt, muss sie im Lager schwere körperliche Arbeit verrichten und kann nicht ständig als Ärztin arbeiten. Das letzte Zwangsarbeitslager, in das A. R. gebracht wird liegt im westsibirischen Tawda, dem Endpunkt der Eisenbahn am Südrand der Taiga. 1946 ist ihre Haftzeit zwar beendet, doch sie darf als Verbannte die Stadt nicht verlassen. 1949 wird über A. R. sogar die „Ewige Verbannung“ verhängt. Sie arbeitet zunächst als freie Ärztin in dem fast ausschließlich von Verbannten bewohnten Ort. Es gibt hier regelmäßig Epide- mien wie Scharlach oder verschiedene Typhusarten, doch die Möglichkeit, Medikamente oder medizinische Geräte zu bekommen, ist hier genauso gering wie im Lager selbst. Trotz mangelhafter medizinischer Infrastruktur entdeckt A. R. ein Mittel zur Heilung von Schier- lingsvergiftung. Zu diesen Vergiftungen kommt es, weil die Häftlinge wegen Hungers die Wurzeln dieser Pflanze essen. Bis zur Entdeckung der Behandlungsmethode durch A. R. war diese Vergiftung absolut tödlich. Sie schickt ihre Forschungsergebnisse an die Lenin- grader Akademie und wird daraufhin gebeten an der Akademie ihre Forschungen weiterzu- führen. Als Verbannte kann sie allerdings dieser Einladung nicht Folge leisten. A. R. selbst kann unter den herrschenden Bedingungen ihre Forschungen zwar nicht erfolgreich fortset- zen, doch die von ihr entwickelte Methode wird trotzdem angewandt und weiter erforscht. A. R. ist bis 1952 als Lagerärztin tätig. Der persönliche Mut, den sie zur Verbesserung der medizinischen Versorgung der Patienten im Lager einsetzt und die Weigerung sinnlose An- ordnungen ihrer Vorgesetzten zu befolgen machen sie zu einer unbequemen Mitarbeiterin und führen 1952 dazu, dass sie aus dem Lagerdienst entlassen wird. Ab 1953 arbeitet A. R. als Deutschlehrerin in Tawda, 1954 wird die Verbannung unter der Bedingung aufgehoben, dass sie nicht an den Ort ihrer Verhaftung zurückkehrt; im selben Jahr wird sie erneut als Ärztin in ein Gefangenenlager für Syphilitiker geholt. Die endgültige Rehabilitierung erfolgt erst 1957  – den eigentlichen Haftgrund erfährt A. R. nie, sie kann jedoch im Alter von 67 Jahren nach einem Zwangsaufenthalt von insgesamt 16 Jahren in Haft und Verban- nung nach Moskau zurückkehren. Dort erhält sie eine kleine staatliche Rente, die sie durch Stricken und Deutschunterricht aufbessert. Bis ins hohe Alter interessiert sich A. R. für das politische Geschehen in ihrer Wahlheimat. Ihre Erfahrungen mit dem politischen System in der Sowjetunion und ihre mutige Haltung angesichts der katastrophalen Zustände in den Lagern veranlassen viele DissidentInnen dazu, sich bei ihr Rat zu holen. Das Manuskript, in dem A. R. ihre Lagererinnerungen unter dem Pseudonym Helene Golnipa beschreibt, kann noch zu ihren Lebzeiten in den Westen geschmuggelt werden. Das Erscheinen des Buches erlebt sie nicht mehr, A. R. stirbt 1985 im Alter von 95 Jahren in Moskau und wird auf dem Friedhof von Kunzewo begraben.
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biografiA. Lexikon österreichischer Frauen, Volume 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
biografiA.
Subtitle
Lexikon österreichischer Frauen
Volume
3, P – Z
Editor
Ilse Korotin
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79590-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
1238
Category
Lexika
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