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Als ihr Mann zur deutschen Wehrmacht eingezogen wurde, wandten sich die Freunde von
ihr ab um sich nicht zu gefährden. Nach dem Krieg ließ sie sich taufen, um dazuzugehören.
Erst im Alter näherte sie sich wieder dem Judentum an und machte sich auf die Suche nach
ihren jüdischen Wurzeln.
Zitate: „Ich habe mir immer die Taufe gewünscht – es war ein Kindertraum. Ich bin in
Parsch auf den Knien zum Taufbecken gekrochen. Sie können sich gar nicht vorstellen, was
für eine Erschütterung das war, das ich eintrete in das Reich des Heiligen Geistes; davon war
ich maßlos erschüttert. Ich war nur eine geborene Jüdin, aber mein Schicksal war anders“.
Zurück in Salzburg wurde I. R. T.s Mann mehrfach aufgefordert, sich von seiner „nicht-
arischen“ Frau scheiden zu lassen. Nach seiner beharrlichen Weigerung wurde er zur Straf-
arbeit in das Arbeitslager Gera gebracht. Von da an lebte I. R. T. in Todesangst. Sie dachte
sogar an Selbstmord, um den Mann und die Kinder zu retten. Jedes Treppenknarren konnte
das Ende bedeuten. Nun wurde auch sie zu Zwangsarbeit verpflichtet und musste Uni-
formen nähen. Die Kinder brachte sie bei Bauern unter. Als bei Franz Schmeisser TBC
diagnostiziert wurde, wurde er entlassen und kam nach Salzburg zurück. 1944 tauchte die
Gestapo auf und wollte I. R. T. zur Deportation abholen. Zum Glück war sie zu diesem
Zeitpunkt nicht in der Wohnung. Nachdem sie von ihrer Vermieterin, einer NSDAP-An-
gehörigen, informiert worden war, übersiedelte sie mit ihrer ganzen Familie in ein „Zuhäusl“
bei einem Bauern auf dem Schlenken (Rengerberg). Leider war die dort erhoffte Sicherheit
ein Trugschluss, denn die Gegend um den Schlenken war auch bei den Nazis beliebt. Die
Angst vor der Gestapo hielt an, aber die Familie wurde von niemandem denunziert. I. R. T.
überlebte, aber beinahe alle ihre Verwandten kamen in NS-Konzentrationslagern um.
Nach dem Krieg begann für I. R. T. ein neues Leben. Sie tauchte aus dem Untergrund auf
und begann zu malen. Sie nutzte vorerst die Sonntage, wenn ihr Mann mit den Kindern
spazieren ging, und malte vor allem Naturerlebnisse, Wiesen, den Göll. „Ich musste einfach
von innen heraus malen, es war für mich ein Erkenntnisweg.“ Zu jener Zeit nahm sie ihren
Künstlernamen Toledo an. 1951 waren erstmals Bilder von ihr im Künstlerhaus ausgestellt,
1952 fand sie Aufnahme in die legendäre „Salzburger Gruppe“.
Sie arbeitete bis ins hohe Alter als Malerin, lehrte auch in Kursen und war eine interessan-
te Atelier-Gesprächspartnerin. Sie bestritt nationale und internationale Ausstellungen und
widmete ihren künstlerischen Nachlass der Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“.
Die Künstlerin malte nie unmittelbar vor der Natur, sie konzentrierte sich mit den Jahren
immer bewusster auf die Innenschau und ließ sich von geistig-religiösen Beweggründen
motivieren. Ein Selbstportrait ist im Besitz des Salzburg Museums.
L.: Embacher 1993, http://www.salzburg.com/wiki/…/Irma_Rafaela_Toledo, http://digital.
belvedere.at/emuseum/
Tolnay Emilie, geb. Müller; Friseurin, Hilfsarbeiterin und Widerstandskämpferin
Geb. Iglau, Mähren (Jihlava, Tschechien), 6. 10. 1901
Gest. Wien, 5. 7. 1944
E. T. war nach dem Besuch der Pflichtschulen ab 1916 in verschiedenen Industriebetrieben
als Hilfsarbeiterin tätig. 1922 lernt sie den Beruf einer Friseurin und ist in diesem Beruf bis
1926 tätig. In diesem Jahr heiratet sie den Bäckergehilfen Anton Tolnay (geb. 1893). Das
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 3, P – Z
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1238
- Category
- Lexika