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Wittgenstein3570
Qu.: H. Wittgenstein, Familienerinnerungen (unpubl. Typoskript), Wien 1944/48.
L.: Gaugusch 2001, Nedo/Ranchetti 1983, Veigl/Janik 1998
Ursula Prokop
Wittgenstein Helene (Lenka), verh. Salzer; Hausfrau und Amateurmusikerin
Geb. Dornbach bei Wien (Wien) 23. 8. 1879
Gest. Wien, 7. 4. 1956
Der Vater Karl Wittgenstein (1847–1913) galt als Stahl- und Kohlemagnat als einer der
bedeutendsten Industriellen der späten Donaumonarchie. Die Mutter Leopoldine Kallmus
(1850 –1926) stammte aus einer Wiener Kaufmannsfamilie. Obwohl schon in der zweiten
Generation getauft, waren beide Eltern überwiegend jüdischer Herkunft und u. a. mit den
Familien Figdor und Joachim verwandt. Ihre beiden jüngsten Brüder schrieben Geschichte:
Paul (1887–1961), der im 1. Weltkrieg seine rechte Hand verloren hatte, wurde als „einarmi-
ger Pianist“ berühmt, Ludwig (1889 –1951) gilt als einer der bedeutendsten Philosophen des
20. Jahrhunderts. Ihr Mann Dr. Maximilian Salzer (1868 –1941), der aus einer Siebenbürger
protestantischen Pfarrersfamilie stammte, war ein gehobener Ministerialbeamter. Ihr Sohn
Dr. Felix Salzer (1904 – 86) war ein bedeutender Musikwissenschafter.
H. W.-S. wurde am 23. August 1879 als fünftes von acht Kindern des Ehepaares Karl und
Leopoldine Wittgenstein in Dornbach (heute 17. Bezirk) bei Wien geboren. Sie wuchs in
großbürgerlichen Verhältnissen auf und erhielt ihre Ausbildung bei Privatlehrern, wobei
insbesondere die künstlerisch-intellektuellen Begabungen gefördert wurden. Als „Sand-
wichkind“ innerhalb der großen Geschwisterschar wurde ihr relativ wenig Aufmerksamkeit
gewidmet. Möglicherweise hat dieser Umstand dazu beigetragen, dass H. als die psychisch
Ausgeglichenste in der zu Neurosen neigenden Familie galt. Als „gesellig“ und „fröhlich“
beschrieben heiratete sie relativ jung mit zwanzig Jahren den um einiges älteren Ministeri-
albeamten Dr. Max Salzer und führte mit ihm eine harmonische Ehe, der vier Kinder ent-
sprangen. H. war eine der musikalischsten der Geschwister und führte als begabte Pianistin
im privaten Kreis die ausgeprägte Musiktradition der Wittgensteins weiter. Darüber hinaus
leitete sie auch eine Chorgruppe. Ihre Gesellschaften in ihrer Wohnung am Brahmsplatz
waren in der Familie äußerst beliebt. Insbesondere Ludwig Wittgenstein war seiner un-
komplizierten Schwester, mit der er gerne entspannt spaßte, emotional eng verbunden. In
der NS-Zeit fungierte H.s „arischer“ Mann als Treuhänder des in die Schweiz verbrachten
Vermögens der Wittgensteins. Die Gespaltenheit der Familie in Hinblick auf ihre teilweise
jüdische Herkunft wird gerade bei H.s Nachkommen deutlich. Ihr Sohn, der Musikwis-
senschafter Dr. Felix Salzer (1904–1986) emigrierte in die USA, da ihm infolge seiner Ein-
stufung als „Mischling 2. Grades“ jede berufliche Tätigkeit verwehrt war, währenddem ihre
Enkel (die Söhne der Tochter Marie, verh. Stockert) in der deutschen Wehrmacht kämpften.
H. S. ist 1956 in Wien verstorben, wo ihre Nachkommen bis heute leben.
L.: Gaugusch 2001, Nedo/Ranchetti 1983, Prokop 2003
Ursula Prokop
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 3, P – Z
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1238
- Category
- Lexika