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Wittgenstein Margaret (Gretl), verh. Stonborough; Kunstsammlerin, Mäzenin und
Bauherrin
Geb. Wien, 19. 9. 1882
Gest. Wien. 27. 9. 1958
Der Vater Karl Wittgenstein(1847–1913) galt als Stahl- und Kohlemagnat als einer der
bedeutendsten Industriellen der späten Donaumonarchie. Die Mutter Leopoldine Kallmus
(1850–1926) stammte aus einer Wiener Kaufmannsfamilie. Obwohl schon in der zweiten
Generation getauft, waren beide Eltern überwiegend jüdischer Herkunft und u. a. mit den
Familien Figdor und Joachim verwandt. Die jüngsten Brüder M. St.s schrieben Geschichte:
Paul (1887–1961), der im 1. Weltkrieg seine rechte Hand verloren hatte, wurde als „einarmi-
ger Pianist“ berühmt, Ludwig (1889 –1951) gilt als einer der bedeutendsten Philosophen des
20. Jahrhunderts. Ihr Mann Jerome Stonborough (1873–1938) stammte aus einer amerika-
nischen Unternehmerfamilie und hatte Chemie und Medizin studiert, aber nie einen Beruf
ausgeübt. Als Kunstsammler machte er sich einen Namen als Spezialist für Asiatica.
M. W.-St. wurde 1882 als jüngste von drei Töchtern der insgesamt acht Kinder des Ehepaares
Karl und Leopoldine Wittgenstein im damaligen Dornbach (heute 17. Bezirk) bei Wien
geboren. Sie wuchs in großbürgerlichen Verhältnissen auf und erhielt ihre Ausbildung bei
Privatlehrern, wobei insbesondere die künstlerisch-intellektuelle Begabung gefördert wur-
de. Schon als junges Mädchen gehörte sie einem literarisch-philosophischen Diskussions-
kreis rund um ihren früh verstorbenen älteren Bruder Rudolf an. Generell war man bei den
Wittgensteins äußerst kunstsinnig, ihr Vater galt als einer der bedeutendsten Mäzene der
Wiener Secession. Anlässlich M.s Verlobung mit dem US-Amerikaner Jerome Stonborough
beauftragte er 1905 Gustav Klimt mit einem Porträt seiner schönen Tochter (heute Neue
Pinakothek, München). Dieser Ausrichtung gemäß wurde auch die neue Wohnung des
jungen Paares in Berlin von Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte eingerichtet. Die
Ehe, aus der zwei Söhne hervorgingen, wurde allerdings nicht glücklich. M. und ihr Mann
führten ein unstetes Leben zwischen Zürich, Paris und New York, wobei sich beide jedoch
intensiv als Kunstsammler betätigten. 1908/9 holte M. in Zürich die Matura nach und
studierte kurzfristig Physik und Mathematik. Nach dem Tod des Vaters 1913 erwarb sie
mit ihrer Erbschaft die aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Villa Toscana in
Gmunden. An der Planung der Umarbeiten, die der Otto Wagner-Schüler Rudolf Perco
in ihrem Auftrag durchführte, hatte sie maßgeblichen gestalterischen Anteil. Während des
1. Weltkrieges gezwungen in der Schweiz zu leben, mobilisierte sie nach Kriegsende eine
US-Spendenaktion zur Verbesserung der Ernährungslage der Wiener Kinder (Vorläuferak-
tion der CARE-Pakete). In den zwanziger Jahren nach Wien zurückgekehrt, initiierte sie
1926 den Bau des so genannten „Wittgenstein-Hauses“ in der Kundmanngasse (Wien 3),
das
– basierend auf ihren Vorstellungen
– von dem Architekten Paul Engelmann und ihrem
Bruder Ludwig Wittgenstein konzipiert wurde. Nach dessen Fertigstellung führte sie hier
einen intellektuellen Salon, in dem insbesondere auch die Musik gepflegt wurde. Ludwig
Wittgenstein, der stets mit seiner Schwester in engem Kontakt war, überließ ihr auch einige
seiner – heute unendlich kostbaren – Manuskripte zu den „Philosophischen Betrachtun-
gen“ (heute Österr. Nationalbibliothek). Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 machte
sie sich gemeinsam mit ihrer Freundin Marie Bonaparte um die Rettung Sigmund Freuds
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Volume 3, P – Z
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- biografiA.
- Subtitle
- Lexikon österreichischer Frauen
- Volume
- 3, P – Z
- Editor
- Ilse Korotin
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1238
- Category
- Lexika