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Michael Tangl (1861–1921) 59
Tod beschäftigte sich Tangl mit einer Arbeit über die Herzogseinsetzung in Kärnten und
nützte den Aufenthalt in seinem Heimatland, um dafür Archive zu besuchen und die
Inschriften auf dem Herzogsstuhl zu entziffern162.
Gänzlich isoliert steht eine Arbeit Tangls, die er während seiner Tätigkeit als Archivar
im Ministerium des Inneren unter Heranziehung der dortigen Archivbestände über die
Haft des italienischen Dichters Silvio Pellico163 verfasste. Pellico war von 1822 bis 1830
wegen seines Engagements für die lombardische Freiheitsbewegung, die die Ablösung vom
Kaiserreich Österreich anstrebte, in der Festung Spielberg bei Brünn (Brno) gefangen ge-
halten worden und hatte über diese Zeit seiner Inhaftierung seine eine Welle der Anteil-
nahme in ganz Europa hervorrufenden Erinnerungen „I mei prigioni“ veröffentlicht. Tangl
prüfte und ergänzte die Aufzeichnungen Pellicos anhand der Polizeiakten im Ministerium
des Inneren und lieferte mit seiner Studie eine hervorragend formulierte, gut lesbare und
einfühlsam verfasste Darstellung des Geschehens. Schon in dieser frühen Arbeit zeigen
sich deutlich Tangls Stärken : der souveräne Umgang mit den Quellen in Kombination mit
der Gabe zur sprachlichen Formulierung und lebhaften Darstellung – in diesem Fall noch
gepaart mit einer sehr menschlichen, nahezu humanitären Sichtweise der geschilderten
Schicksale – die auch an manchen Stellen eines gewissen Humors nicht entbehrt. Auch in
dieser Arbeit war ihm die Einbettung des dargestellten Gegenstandes in größere Zusam-
menhänge ein Anliegen und, obwohl zeitlebens ein leidenschaftlicher Anhänger der habs-
burgischen Donaumonarchie, sparte er nicht mit Kritik am Erwerb und der Regierung der
1815 auf dem Wiener Kongress Österreich zuerkannten italienischen Gebiete.
ViI. Kontroversen und Neuansätze : Tangls Stellung in den
wissenschaftlichen Diskursen seiner Zeit
Im Februar 1903 erschien der Artikel „Die Monumenta Germaniae Historica, ihre bis-
herige Leitung und Leistung“164, der polemisch formulierte Äußerungen zu Programm,
162 Vgl. die im Anhang II abgedruckten Briefe Tangls an Jaksch vom 17.07. und 15.08.1921 und an Perels
vom 12.08.1921, sowie Eberhard Tangls an Jaksch vom 24.11.1921. Im NA 43 (1922) 440 erschien eine
Rezension Tangls des darin genannten Werks von Georg Graber, Der Einritt des Herzogs von Kärnten am
Fürstenstein zu Karnburg (SB Wien 190 5, 1919), in der er bedauerte, den Versuch des Autors, die Kärnt-
ner Herzogserhebung „entgegen der bisher herrschenden Annahme starker slavischer Grundlage ‚aus rein
deutschem Rechtsempfinden heraus‘ zu erklären […] in Grundlage und Methode und daher auch in den
Ergebnissen vollkommen verfehlt ablehnen zu müssen“.
163 Michael Tangl, Die Haft Silvio Pellicos, in : Deutsche Rundschau 110 (1892) 58–75, und in : ders., Mit-
telalter 2 871–888.
164 Wilhelm Gundlach, Die Monumenta Germaniae historica, ihre bisherige Leitung und Leistung, in : Die
Grenzboten 9, 26.02.1903, 1–8 ; vgl. zur Angelegenheit Schaller, Tangl (wie Anm. 1) 153–158.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien