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62 Andrea Rzihacek und Christoph Egger
Person nicht wert befunden, „von neuem darauf einzugehen, um so weniger, als auch ein
mit diesen Verhältnissen gar nicht vertrauter Leser den Ausfällen anmerken muss, dass sie
durch Rachsucht eingegeben sind“175.
Die im Grunde leicht zu durchschauenden und zum Großteil auf Nebensächlichkeiten
beruhenden Angriffe Gundlachs kamen für die MGH jedoch zu einem überaus ungüns-
tigen Zeitpunkt. Nach mehreren kurz aufeinanderfolgenden Todesfällen in ihren Reihen
– zunächst Wattenbach, etwas später Scheffer-Boichorst und Dümmler – und wegen des
immer wieder stockenden Fortschreitens der Arbeiten und der ständigen Erweiterungen
der Editionsvorhaben wurden seitens des RMI prinzipielle Überlegungen zum Fortbe-
stand der MGH angestellt176, wobei die unverhohlenen und ohne Bedacht- und Rück-
sichtnahme vorgebrachten Angriffe Gundlachs, der dem Anschein nach bereit war, bis
zum Äußersten zu gehen, sehr gelegen kamen. Wohl aus diesem Grund entschloss man
sich bei den MGH zu einer ausführlicheren Stellungnahme zum Artikel in den „Grenz-
boten“, ebenfalls in einem breitenwirksamen Medium, die die wahren Motive Gundlachs
und die Haltlosigkeit und Unsinnigkeit seiner Kritik offenbaren sollte.
Die Beantwortung der Frage, warum gerade der sonst so zurückhaltende Tangl es auf
sich nahm, diese Replik zu verfassen, dürfte wohl in seiner persönlichen Verbundenheit
mit Holder-Egger zu suchen sein. Seine Entgegnung erschien am 4. April 1903 in der
Münchener „Allgemeinen Zeitung“ unter dem Titel „Wilhelm Gundlach und sein Angriff
auf die Monumenta Germaniae historica“177. Mit Verve vertrat er die Aufnahme von
Quellen zur Papstgeschichte : „die universale Stellung des alten Kaisertums, seine engen
Wechselbeziehungen zum Papsttum, der Kampf der beiden höchsten Gewalten der mit-
telalterlichen Welt“ hätten zur Folge, „daß Papstgeschichte von Reichsgeschichte nicht zu
trennen ist“. Im Gegenteil beklagte Tangl dabei die noch immer nicht erfolgte Heraus-
gabe des „Registrum super negotio Romani imperii“ : „Nicht bereits zu viel, sondern noch
viel zu wenig ist auf diesem Gebiete bisher geschehen.“ Ebenso verteidigte er sachlich
überzeugend die Berücksichtigung italienischer Quellenwerke zumindest bis zum Ende
der Staufer178. Besonders scharf wandte sich Tangl dabei gegen die Angriffe Gundlachs auf
175 NA 28 (1903) 563f.
176 Vgl. dazu Schaller, Tangl (wie Anm. 1) 146–173, die das entsprechende Kapitel ihrer Arbeit mit dem
Titel „Die Krise der Monumenta“ versieht.
177 Tangl, Gundlach (wie Anm. 166).
178 Interessant ist in diesem Zusammenhang die betont deutsch-nationale Haltung Gundlachs, die in dessen
Argumentation zum Ausdruck kommt, die er auf seine Auffassung des mittelalterlichen römisch-deutschen
Reiches übertrug : „[…] daß es in jener Zeit eine zwar äußerlich lateinische, aber innerlich echt deutsche
Geschichtsschreibung gibt, so reich und glänzend, wie sie kein andres Volk für diese Zeit aufweisen kann“,
Gundlach, Monumenta (wie Anm. 164) 6, oder : „[…] sollte man nur die verrotteten Zustände der rö-
mischen Republik einer solchen Betrachtung für wert halten, nicht aber die Verhältnisse einer glänzenden
Periode unsrer eignen Geschichte, ‚in der der Wille, das Wort und das Schwert der dem deutschen Volk
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien