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Anton Chroust (1864–1945) 115
hätten, hätten sie vorausgesehen, daß von dem Inhalte dieses einzig für die vorgesetzte Behörde
bestimmten Berichts (vom 20. Mai) die Presse Kenntnis erhalten und in der Abgeordnetenkam-
mer hiervon Gebrauch gemacht würde. Die drei Senatoren gaben daher nachträglich ein auf
den 2. Juli 1902 datiertes Sondervotum zum Senatsbericht vom 20. Mai ab104, in dem sie
betonten, bei der Behandlung der Beförderung Chrousts durch Fakultät und Senat hätten
persönliche, nicht sachliche Gründe den Ausschlag gegeben. Die Sache sei in der Sitzung
vom 14. Mai nicht zu Ende gebracht, sondern erst durch Zirkular erledigt worden, wobei
von einem Senatsmitglied (Wilcken) der letzte, verschärfende Satz hineingebracht worden
sei, um eine Beförderung Chrousts unmöglich zu machen. Sie hätten von Anfang an ge-
gen den Missbrauch protestiert, den Fall Chroust-Förster mit der Beförderungsangelegenheit
von Prof. Chroust in Verbindung zu bringen. Merkle hatte in der Senatsabstimmung einen
Kompromissvorschlag für die Formulierung eingebracht. Mit Datum des 4. Juli 1902
gaben dann Abert, Merkle und Beckenkamp nochmals ausführlichere Sondervoten ab,
die der Senat am gleichen Tag an das Ministerium sandte.105 Darin betonen Abert und
Merkle, Chroust sei an den Vorgängen zwar mitschuldig, aber keineswegs der einzige
Schuldige gewesen ; die einseitige Stellungnahme des Senats habe nur das Ziel verfolgt,
seine Beförderung zu einem Ding der Unmöglichkeit zu machen, so Abert ; das alles mußte
ihn [Chroust] in eine höchst gereizte Stimmung versetzen, wie dies bei anderen in völlig glei-
cher Lage wohl auch der Fall gewesen wäre, wenn vielleicht auch ihre Stimmung in weniger
impulsiver Weise zum Ausdruck gekommen wäre. Ganz ähnlich äußerte sich Landmann.
Nachdem er dem Prinzregenten die Verschärfung des Senatsberichts auf Antrag Wilckens
geschickt hatte, fuhr er fort : Es wurde also die ganze Sache mit größter Eile und mit einer
gewissen Überstürzung behandelt, während doch in einer so wichtigen Angelegenheit, bei der
es sich um nichts weniger als die Existenz eines Mannes handelt, ein ruhiges Abwägen […] am
Platz gewesen wäre. Wilcken, so heißt es weiter, habe die Beförderung Chrousts unmöglich
machen, ihm aber auch bei einer möglichen Berufung an eine andere Universität schaden
wollen. Der Minister bemängelte auch, dass Wilcken und Brenner in dieser Sache im Se-
nat großen Einfluss ausübten, obschon sie bereits in der Fakultät und in der Kommission
über die Beförderung Chrousts gegen diesen Stellung bezogen hatten ; zudem war Brenner
Verfasser des Chroust beleidigenden Briefs an Luick gewesen. Deshalb seien sie befangen
und der Bericht des Senats sei nicht absolut objektiv gewesen ; auch der Vorwurf der Ak-
tenwidrigkeit des Senats an das Ministerium sei unzutreffend gewesen106. Während der
Senat auf seinem Standpunkt beharrte und die Presse-Indiskretion damit begründete, er
104 BHStAM, MK 11364 ; UAWb, ARS Nr. 1623.
105 BHStAM, MK 11364.
106 So Landmann in der Promemoria vom 29.07.1902, ebd. Auch Wilcken als Dekan an den Senat 26.07.1902,
UAWb, ARS Nr. 1621.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien