Page - 123 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
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Anton Chroust (1864–1945) 123
tät 80.000 Mark, davon 50.000 Mark zur Errichtung der neuen Sternwarte, 30.000 Mark
für das kunstgeschichtliche Institut der Universität spendete und dafür mit der Ehrendok-
torwürde der Philosophischen Fakultät belohnt wurde144. Durch die sozialdemokratische
Presse wurde der Fall in der Öffentlichkeit hochgespielt ; die Dinge eskalierten, als 1927
und 1928 die Universität versuchte, durch eine Änderung der Statuten größeren Einfluss
auf die Gesellschaft zu erhalten, und durch scharfe Attacken Chrousts in einer eigenen
Schrift145, die ihm ein Dienststrafverfahren eintrugen146. Als Folge stellten sich Graf Schön-
born, der Chroust bislang loyal unterstützt hatte, als erster Vorsitzender und dieser als erster
Schriftführer 1928 nicht mehr zur Wiederwahl147. Die Leitung der Gesellschaft ging an den
Regierungspräsidenten als ersten Vorsitzenden über, was nicht zu ihrem Vorteil gereichte.148
Die Disziplinarkammer beim Oberlandesgericht Bamberg urteilte am 3. April 1930, dass
Chroust sich verschiedener Dienstvergehen schuldig gemacht habe, worauf der der Bayeri-
schen Volkspartei (BVP) angehörende Kultusminister Goldenberger ihm am 19. April mit
der Versetzung in den dauernden Ruhestand drohte, falls er nicht um seine Emeritierung
einging149. Chroust nahm damals Kontakte zu allen Parteien außer der KPD auf und fand
diesmal Unterstützung bei den mit der BVP koalierenden Liberalen, die ihn 1901/02 noch
bekämpft hatten. Für die Abgeordneten der bayerischen Deutschnationalen Volkspartei im
Landtag war das Vorgehen des Kultusministers eine ungeheure Verletzung der Disziplinar-
rechte150, und deren Vorsitzender Hans Hilpert zeigte seinem Parteifreund Max Buchner,
Nachfolger Henners auf dem Würzburger Lehrstuhl, die kalte Schulter, als dieser gegen
Chroust in München intrigierte. Da der Antrag einiger Mitglieder des Senats der Universi-
tät, diesen zwangsweise in den Ruhestand zu versetzen, auch in der Fakultät keine Mehrheit
fand151 – ein weiterer Beweis dafür, dass er an der Universität auch Freunde hatte –, musste
Goldenberger nachgeben : von einer Dienstenthebung oder einer Zwangsemeritierung
wurde wegen der Verdienste Chrousts, unter denen auch die Gründung der Gesellschaft für
fränkische Geschichte vom Ministerium aufgeführt wurde, Abstand genommen152.
144 Ebd. 82ff., 318ff.
145 Anton Chroust, Die Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften bei der Universität Würzburg und ihr
erster Schriftführer. Eine Feststellung (Würzburg 1928).
146 Schäfer, Freunde (wie Anm. 139) 93ff.
147 Ebd. 93ff. Akten dazu in UAWb, ARS, PA Chroust.
148 Ebd. 107.
149 Abschrift des Urteils und des KMS im NL Max Buchner, Bd. 101, im BAK.
150 Traub an Buchner 17.05.1930, ebd. Vgl. Peter Herde, Max Buchner (1881–1941) und die politische Stel-
lung der Geschichtswissenschaft an der Universität Würzburg 1925–1945, in : Die Universität Würzburg in
den Krisen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hg. v. Peter Baumgart (Quellen und Forschungen zur
Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 58, Würzburg 2002) 214f.
151 Schäfer, Freunde (wie Anm. 139) 95f.
152 Ministerialschreiben vom 15.07.1930 ; Schäfer, Freunde (wie Anm. 139) 96. Siehe oben Anm. 47.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien