Page - 179 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
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Max Dvořák (1874–1921) 179
den Rezension von „Orient oder Rom“ als Verteidiger der
Wiener Position aufgetreten55.
Die Interessen der mit der Kunstgeschichte institutionell
eng verbundenen Historiker konnten 1909 allerdings offen-
bar nicht negiert werden. Ottenthal, Emil Reisch, Alfons
Dopsch und der Philologe Hans von Arnim unterzeichnen
ein Minoritätsvotum gegen Strzygowski, dem vor allem me-
thodische Fahrlässigkeit vorgehalten wird56. Sie plädieren
für die Fortführung der von Thausing, Wickhoff, Riegl seit drei
Jahrzehnten mühsam aufgerichteten Grundlagen streng wissen-
schaftlicher Führung des kunstgeschichtlichen Unterrichts57. In
diesem Zusammenhang wird ausdrücklich die so ausgezeich-
net erprobte Tradition der Wiener kunstgeschichtlichen Schule angesprochen, die von Strzygow-
ski gewaltsam zerrissen würde58 – soweit ich sehe, eines der frühesten bekannten Zeugnisse
für den später v. a. durch Schlosser kanonisierten Begriff der „Wiener Schule“ 59. Der am
7. Juli 1909 ausgesprochenen Empfehlung der Fakultät, in Würdigung der im Bericht der
Kommissionsmajorität angeführten, die Bedürfnisse des Instituts für österreichische Geschichtsfor-
schung betreffenden Momente auch Dvořák zum ordentlichen Professor zu ernennen (Schlos-
ser hatte sich inzwischen zurückgezogen)60, wird vom Ministerium schließlich stattgegeben.
266 ; ders., Altchristliche Kunst, in : Religion in Geschichte und Gegenwart (1908) 381–397 ; ders., Antike,
Islam und Occident, in : Neue Jahrbücher 23 (1909) 354–372. Zu der Kontroverse vgl. Jas Elsner, The
Birth of Late Antiquity : Riegl and Strzygowski in 1901 in : Art History 25 (2002) 358–379 ; Carola Jäggi,
„Ex oriente lux“. Josef Strzygowski und die „Orient oder Rom“-Debatte um 1900, in : Semra Ögel, Gregor
Wedekind, Okzident und Orient (Istanbul 2002) 91–111.
55 Erschienen in : Göttingische gelehrte Anzeigen 164/2 (1902) 693–711.
56 Vgl. Minoritätsvotum gegen die Berufung Josef Strzygowskis vom 06.07.1909 : […] dass Strzygowski es vielfach
versäumt, die Einzeltatsachen kritisch festzustellen, dass er häufig willkürliche Combinationen nachhängt, ohne den
widersprechenden Tatsachen gerecht zu werden. […] Er zeige eine auffällige Unsicherheit in der stilistischen Beur-
teilung und Scheidung der Bildwerke. Über Ähnlichkeit der Motive übersieht Strzygowski vollständig die Verschie-
denheit des individuellen Stilcharakters. Nur so sind seine Theorien über orientalische Herkunft des romanischen
Stils und über das Auftauchen altägyptischer Einflüsse in spätrömischen Bildwerken erklärlich. Generell kritisiert
wird die Art, wie Strzygowski luftige Hypothesen übereinandertürmt […], sowie dieser schlecht gezügelte Hang, auf
unsicheren Grundlagen Hypothesen aufzubauen. UAW, Phil. Fak., PA Julius von Schlosser.
57 Minoritätsvotum (wie Anm. 56).
58 Ebd.
59 Filipová, Historiography (wie Anm. 17) 171, zitiert die Verwendung des Begriffs in einem von Vincenz
Kramář verfassten Nachruf auf Wickhoff von 1909, verweist aber gleichzeitig darauf, dass Kramář schon 1905,
und zwar in Bezug auf Dvořák, von „Wiener Schule“ gesprochen hatte.
60 Vgl. Bericht des Dekans an das Ministerium, 12.07.1909. UAW, Phil. Fak., PA Julius von Schlosser. Die
Empfehlung wurde von der Fakultät mit 32 von 49 Stimmen ausgesprochen, bei 13 Gegenstimmen und 4
Enthaltungen. Abb. 13 : Franz Wickhoff
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien