Page - 236 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
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236 Ulfried Burz
den deutschen Bruder, um den man sich ein Jahrzehnt lang bemüht hat‘, ich meine wir werden
uns auch noch weiter um ihn bemühen müssen, denn der Gang der Geschichte kann durch
einige verrückt gewordene Leute doch nicht aufgehalten werden. Torquemadas Zeiten sind
vorüber gegangen, auch der heutige Kärntnerische Torquemada wird nicht ewig seine Geissel
schwingen. Das Unglück Deutschösterreichs ist und bleibt die Bindung mit der schwarz-roten
Grosstadt Wien, von der wir niemals loskommen werden. Die westlichen Alpenländer allein
können, weil Finanzen, Militär, die Frage der Bundeshauptstadt und so vieles Andere mitspre-
chen, allein nichts anfangen. Tragen wir also unser Geschick mit Geduld, körperliche Waffen
gegen die Bedrücker vermag man nicht aufzubringen. Aber die Bäume der Vaugoin-Schumy-
Fey-Dollfuss Regierung werden auch nicht in den Himmel wachsen. Mit deutschem Gruss !139
Wenige Wochen später stieß Wutte, in einem Dankschreiben für die Übermittlung eines
Bildbandes, „Das Antlitz der Grenzlande“, in ein ähnliches Horn. Er berichtet von Kämpfen
im Grenzland und ordnet diesen eine klare Funktion zu : Der Bildband ist einer der wenigen
Lichtpunkte in dieser so traurigen Zeit des Bruderzwistes und ein neuerlicher Beweis, dass die in
gemeinsamer Not geschlungenen Bande zwischen unserem Mutterlande und unseren Grenzgebie-
ten trotz aller Widerwärtigkeiten der Gegenwart fortbestehen, wie ich denn durchaus überzeugt
bin, dass auch diese furchtbare Krise unseres Volkstums überstanden werden wird. Es hätten ja
auch gerade die Kämpfe um unser Grenzland gar keinen Sinn, wenn der Gedanke des Zusammen-
schlusses Österreichs mit dem Reiche für ewig begraben sein sollte. So bin ich der sicheren Hoff-
nung, dass die jetzt gebundenen guten Geister auch bei uns bald wieder an die Oberfläche kommen
werden, um an der Verwirklichung des Gedankens ein Volk ein Reich weiter zu arbeiten.140
Wuttes Engagement für das Deutschtum resultierte gewiss zu einem guten Teil aus
seinen Reiseerlebnissen, über die er in seinem Lebenslauf, ohne sich allerdings in Details
zu verlieren, kurz berichtet141. Seine resümierende Darstellung ist nicht nur im Zusam-
menhang mit der bis heute wenig behandelten Forschungsfrage, wer, in welchem Um-
fang, unter welchen Kriterien die Propaganda für die Volksabstimmung 1920 in Kärnten
mitfinanzierte, von Bedeutung. Erste Erkenntnisse, die Wuttes Einsatz auch auf diesem
volkspolitischen Schauplatz belegen und die heftige Kritik provozierten, liegen seit den
1990er-Jahren vor142. Ein Schreiben des Landeshistorikers an ein „Hauptvorstandsmit-
139 Lemisch an Wutte, St. Veit an der Glan, 10.06.1933, KLA, NLW, Schachtel 1, 84. Lemisch war 1918–1921
Landesverweser von Kärnten, 1927–1931 Landeshauptmann. Vgl. Webernig, Landeshauptmann (wie
Anm. 125) 71 und 78f.
140 Wutte an Karl von Loesch, Klagenfurt, 17.07.1933, KLA, NLW, Schachtel 1, 91.
141 Wutte, Lebenslauf 1949 (wie Anm. 36) 7 : „In die Zeit nach 1920 fallen auch zahlreiche Reisen, die ich
zu wissenschaftlichen und völkischen Tagungen unternahm, so nach Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg, Linz,
München, Berlin, Witzenhausen, Flensburg, Köln, Bamberg, Leipzig, Stuttgart und Regensburg. Leider wa-
ren sie alle nur von kurzer Dauer.“ Hervorhebung nach Vorlage.
142 Vgl. Ulfried Burz, Die nationalsozialistische Bewegung in Kärnten (1918–1933). Vom Deutschnationalis-
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien