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Martin Wutte (1876–1948) 245
– zur Folge haben dürfte. Und nun soll „Kärnten“ außerhalb der alphabetischen Reihe er-
scheinen, was ganz der Anlage des HWB. widerspricht. Ich weiß nicht, wer die säumigen
Mitarbeiter sind, aber ich bin froh, daß ich dafür keinerlei Verantwortung trage. Der Grund
dieser neuen Schwierigkeiten scheint mir nicht allein in den wegen des Umbruches notwendig
gewordenen Umänderungen zu liegen, sondern auch darin, daß die Hauptred. von Kiel aus
weder in sachlicher noch in personeller Hinsicht genügend Einblick in die schwierigen Kärnt-
ner Verhältnisse hat, vor allem nicht in den außerordentlichen, jetzt mehr denn je fühlbaren
Mangel an wissenschaftlichen Arbeitskräften […]. Wenn ich trotz aller dieser Mühseligkeiten
und Mißhelligkeiten, die Jahre hier ausgeharrt und trotz der schwierigsten Verhältnisse auch
in letzter Zeit mitgearbeitet habe, so nur, weil ich mich meiner Heimat Kärnten gegenüber
verpflichtet halte, die Erfahrungen, die ich auf Grund einer 40jährigen Beschäftigung mit den
Kärntner Problemen gesammelt habe, in einem Standardwerk, wie es das HWB. ist, niederzu-
legen, so viel es in meinen bescheidenen Kräften steht. Schließlich ist mir auch das HWB. nicht
gleichgültig, da ich doch an seiner Wiege gestanden bin und wiederholt mitgeholfen habe, das
ertrinkende Kind aus dem Wasser zu ziehen. Aus diesem Grunde glaube ich auch berechtigt
zu sein, Ihnen einmal offen zu schreiben, wie sich das Vorgehen des HR. bei einem alten Mit-
arbeiter ausgewirkt hat. […] Ich hoffe nun, daß der Artikel Kärntens wenigstens im heurigen
Jahr erscheinen kann und würde mich freuen, wenn ich wenigstens die Korrektur meiner Texte
bald bekommen würde. Beste Neujahrsgrüße und Heil Hitler !175
Die Hoffnung des Gelehrten auf eine baldige Veröffentlichung des Kärnten-Beitrages
im HWB sollte noch mehr als ein Jahr strapaziert werden. Im März 1940 reklamierte ein
iānusköpfiger Wutte die Aufnahme eines Literaturverweises in das HWB : Ich ersuche noch-
mals, den Roman Hülgerths aufzunehmen, er gehört zu jenen Männern, die wesentlich dazu
beigetragen haben, dass Südkärnten heute zum Reiche gehört, und ist tot. Es wäre kleinlich
und unhistorisch, wollte man ihn wegen seines späteren Verhaltens in dieser Zeit176 streichen.
Allenfalls könnte ja in dem von Gatterer zu behandelnden Abschnitt ein Wort des Bedauerns,
dass H. sich von den Politikern der Systemzeit missbrauchen ließ, einfügen. Ich habe das in
dem Nachruf, der voraussichtlich im Oktoberheft der Carinthia I erscheinen wird, auch so
gemacht.177 Der von Wutte Ende 1940 publizierte Nachruf enthält akzentuierte Aussagen.
Sie belegen, dass er seine Distanz zu jüngst vergangenen Ereignissen, die aktuelle Politika
implizierten, aufgegeben hat178. Wutte entfaltete in diesem Nachruf zum einen drei Feind-
175 Wutte an die Hauptredaktion des HWB, Klagenfurt, 02.01.1939, ebd.
176 Anm. Burz : in dieser Zeit in Gabelsberger Schrift nachgetragen.
177 Wutte an die Hauptredaktion des HWB, Klagenfurt, 06.03.1940, KLA, NLW, Schachtel 11, 371. Gestriche-
ner Satz nach Vorlage.
178 Martin Wutte, Ludwig Hülgerth, in : Carinthia I, 130 (1940) 382–385 : „Im Lande selbst huldigten viele,
namentlich die starke Partei der Sozialdemokraten, dem Schlagwort ‚Nie wieder Krieg‘, andere wieder scheu-
ten den Waffenkampf, da sie in den eingebrochenen Banden serbische Truppen, also Ententetruppen, ver-
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien