Page - 257 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
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Martin Wutte (1876–1948) 257
Volksabstimmung aktiv beteiligt. In dieser Jagdgesellschaft besonderer Art wirkte Lud-
wig Bittner mit, der mit Wutte schon in den 1930er-Jahren Briefverkehr unterhalten
hatte. Bittner war per Dekret Anfang August 1941 zum Direktor des Reichsarchivs Wien
ernannt worden ; durch das Kampfabkommen zwischen der Großdeutschen Volkspartei
und der NSDAP, abgeschlossen vor dem Verbot der NS-Bewegung (19. Juni 1933), galt er
seit dem 15. Mai 1933 als Mitglied der NSDAP226. Bittner wiederum hatte auf fachlicher
Ebene „ein besonders gutes Verhältnis“ zu Ernst Zipfel, dem Generaldirektor der preußi-
schen Staatsarchive und des Reichsarchivs Potsdam227, seit dem 22. Juli 1942 „Kommissar
für den Archivschutz, das heißt Raub von Archivgut in eroberten Ländern“.228 Und schon
„wenige Tage nach dem Überfall auf Jugoslawien (6. April 1941) begannen die deutschen
Archivare mit Überlegungen zu – aus ihrem Blickwinkel so bezeichneten – ‚Archivschutz-
maßnahmen‘.“ Das damit verbundene Ziel ist unschwer nachvollziehbar : „Wer Quellen
hat, kann Geschichte schreiben. Wer Akten besitzt, hat die Macht der Interpretation.“229
Rund um die neue „Archivsituation“ ist allerdings zu beachten, dass die Monografie
„Kärntens Freiheitskampf“ keineswegs ein „reines“ Auftragswerk war. Das ist anhand ei-
nes Briefes von Wutte, der rund acht Monate vor dem „Anschluss“ datiert, indirekt nach-
weisbar. Darin erwähnte Wutte, dass seine Monografie 1933 nachgedruckt wurde, weil die
(später abgesagte) VDA-Tagung in Klagenfurt230 vor der Tür stand. Und Wutte spricht von
einer geplanten Neuauflage, ergänzt durch Quellenmaterial diplomatischen Inhalts231.
Und auch nur ein oberflächlicher Blick in den Nachlass Wuttes zeigt, dass er nach der
Erstauflage von „Kärntens Freiheitskampf“ fortwährend Material für die Zweitauflage
dieses Buches sammelte, das nicht zuletzt deshalb nach wie vor über weite Strecken ein
unerlässliches Werk zur Kärntner Volksabstimmung von 1920 darstellt.
226 Ausführlich zu Bittner Thomas Just, Ludwig Bittner (1877–1945). Ein politischer Archivar, in : Österreichi-
sche Historiker (wie Anm. 7) 283–305, hier 296 und 298.
227 Herbert Hutterer, Thomas Just, Zur Geschichte des Reichsarchivs Wien 1938–1945, in : Das deutsche
Archivwesen (wie Anm. 225) 313–325, hier 314.
228 Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945 (Frankfurt/M. 2005)
697. Kursivsetzung nach Vorlage.
229 Eckert, Kampf (wie Anm. 225) 9.
230 Anm. Burz : Die Tagung des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland war für Pfingsten 1933 geplant.
Die damaligen politischen Verhältnisse veranlassten die Bundesregierung, die Veranstaltung abzusagen.
Wutte war über Interna dieses hochbrisanten Politikums gut unterrichtet. In seinem NL, Schachtel 40, 1233,
befindet sich die Niederschrift (Durchschlag 70 Bl.) der am 08.05.1933 im Sitzungssaal der Kärntner Lan-
desregierung stattgefundenen Beratung. Vgl. dazu ausführlicher Alfred Ogris, Anschlußideen in Kärnten
während der Zwischenkriegszeit (1918–1938), in : Das Jahr 1938 in Kärnten und seine Vorgeschichte. Ereig-
nisse –Dokumente – Bilder, hg. v. dems., Wilhelm Wadl (Das Kärntner Landesarchiv 15, Klagenfurt 1988)
13–39, hier 33f.
231 Wutte an Viktor Miltschinsky, Klagenfurt, 07.1937, KLA, NLW, Schachtel 1, 113.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien