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Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951) 265
am eigenen Wiener Institut begegnete er mit unversöhnlichem Hass noch über das Grab
hinaus8. Srbik wurden in seiner Wiener Zeit zunächst viele öffentliche Auszeichnungen
zuteil ; umso bitterer muss er seine letzten, in seinem Tusculum im tirolerischen Ehr-
wald zugebrachten Jahre fern der Wiener Universität und Akademie empfunden haben.
Zwar war Srbik der NSDAP erst nach dem „Anschluss“ beigetreten, doch zumindest
die von ihm während der NS-Zeit bekleideten hohen Funktionen eines Präsidenten der
Akademie der Wissenschaften in Wien und eines Reichsratsmitglieds hatten 1945 eine
Entlassung Srbiks als Universitätslehrer zur Folge gehabt9, und angesichts einer solchen
offiziellen Vergangenheit hielt es Srbik offenbar auch nicht für geraten, sich überhaupt
im Machtbereich der sowjetischen Besatzungstruppen aufzuhalten. Diese letzten Jahre
im Tiroler „Exil“ werden in biografischen Skizzen nicht selten als „Tragödie“ bezeichnet ;
und die meisten Biografen beeilen sich auch zu versichern, Srbik sei kein Nationalsozia-
list gewesen, sondern vielmehr ein persönlich völlig integrer10 (National-)Konservativer,
der sich zunächst aus persönlicher Naivität und Gutmütigkeit Illusionen über die Na-
tionalsozialisten hingegeben habe, zu diesen dann aber bald nach dem „Anschluss“ tief
enttäuscht auf Distanz gegangen sei. Diese vielen eher apologetisch gestimmten Autoren
scheinen aber regelmäßig weder das tatsächliche Ausmaß von Srbiks NS-Engagement
noch auch die eigentliche Natur seiner angeblich konservativen Weltanschauung näher
untersuchen zu wollen ; diese Fragestellungen werden daher in den Mittelpunkt der
vorliegenden Arbeit gerückt werden11.
seinerseits gefeiert hatte), dabei als einen kaum verdienten Akt der Gnade Srbik zuliebe dargestellt ; vgl. auch
Pitcher, 252–262.
8 Vgl. v.a. Srbik, Metternich 3 (wie Anm. 4) 11–20. Zur Kontroverse Srbik vs. Bibl im allgemeinen siehe
zuletzt Karsten Jedlitschka, Die „Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialis-
tischen Schrifttums“. Zensurfelder und Arbeitsweise am Beispiel des Münchner Lektors Ulrich Crämer, in :
Archiv für Geschichte des Buchwesens 62 (2008) 213–226, hier 221–223 mit Literatur.
9 Tatsächlich scheint Srbik aber doch wegen einer – irrtümlichen – Einschätzung als „Illegaler“ entlassen worden
zu sein, vgl. Derndarsky, Österreich (Bibl.) 186–188, 200, 207 Anm. 47 ; ders., Historie (Bibl.) 163, 166.
10 Vgl. etwa auch Jan Eckel, Hans Rothfels. Eine intellektuelle Biographie im 20. Jahrhundert (Moderne Zeit.
Neue Forschungen zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts 10, Göttingen 2005)
347 Anm. 64.
11 Dass das NSDAP-Mitglied Srbik kein Nationalsozialist gewesen sei, haben nicht nur (unisono) andere ehe-
malige Parteigenossen sowie weitere ehemalige Schüler Srbiks, sondern auch solcher Art von Befangenheit
unverdächtige Autoren wie Derndarsky und Moos behauptet. Scharfe Kritik an Srbik ist nach dessen Tod
bislang allein von eher weit links stehenden Autorinnen und Autoren geäußert worden, wobei in diesen Fällen
natürlich die Vermutung naheliegt, dass die eigene Positionierung im politischen Spektrum eine Unterschei-
dung zwischen rechts („konservativ“) und rechtsextrem („faschistisch“, „nazistisch“) erschwert. Die Verfasserin
dieses Beitrags ist demgegenüber der Auffassung, dass so sorgfältig wie nur möglich differenziert werden sollte.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien