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284 Martina Pesditschek
holte. Als solcher amtierte er vom 16. Oktober 1929 bis zum 25. September 1930 ; er
war freilich nur zweite Wahl127 nach dem Mediziner Anton Eiselsberg128 gewesen. Unter
seine Ägide fiel unter anderem auch die Berufung des gebürtigen Wieners und Sohnes
des klassischen Philologen Johannes Vahlen (Karl) Theodor Vahlen129 an die Technische
Hochschule in Wien, der später das Amt Wissenschaft im REM leiten sollte und mit dem
Srbik auch dann noch Kontakt hatte130. Nach diesem einen Jahr – länger hatte das dritte
Kabinett Schober nicht gehalten – kehrte Srbik „enttäuscht und verbittert“ zurück an die
Universität Wien131, 1932/33 fungierte er dann als Dekan der Philosophischen Fakultät
und 1936/37 als Senator132. Diese nun gehäufte Übernahme repräsentativer und adminis-
trativer Ämter könnte den Verdacht nahelegen, dass es für Srbik nach dem „Metternich“
keine große wissenschaftlich-publizistische Agenda mehr gegeben hat. Das Gegenteil ist
richtig ; auch schon in den 1920er-Jahren und erst recht dann in den 1930er-Jahren und
bis an sein Lebensende widmete sich Srbik immer wieder einem zentralen Thema, das als
sein eigentliches Lebensthema anzusprechen ist, nämlich der von ihm selbst so genannten
„gesamtdeutschen Geschichtsauffassung“.
VIII.
Wie schon der Terminus „gesamtdeutsche Geschichtsauffassung“ selbst nahelegt, han-
delte es sich dabei weniger um ein wissenschaftliches als um ein ideologisches Projekt.
Es ist evident, dass er mithilfe dieser Ideologie selbst Geschichte zu schreiben hoffte.
Srbik trat dabei keineswegs bloß für ein staatliches Zusammengehen des Deutschen Rei-
ches und „Deutschösterreichs“ ein – das jedenfalls von 1918 bis 1933 so gut wie alle
„Deutschösterreicher“ mit Ausnahme der Legitimisten und von 1918 bis 1945 so gut
wie alle Deutschen mit Ausnahme Oswald Spenglers133 befürworteten –, einem solchen
und „Hort der Republik“. Biographie eines Gestrigen (Böhlaus zeitgeschichtliche Bibliothek 15, Wien/Köln
1990) (zu Srbik 266, 382f., bezeichnet Srbik ausdrücklich als „parteilos“).
127 Derndarsky, Österreich (Bibl.) 99–104 ; siehe auch Wiener Zeitung 17.10.1929, 1 ; Neue Freie Presse
17.10.1929, 2.
128 Art. „Eiselsberg, Anton Frh. von“, in : Österreich-Lexikon 1 (Bibl.) 309 ; ÖBL 1 (1957) 236.
129 Grüttner, Lexikon (wie Anm. 122) 176f.; Klee, Personenlexikon (Bibl.) 637.
130 Schönwälder, Srbik (Bibl.) 529f.; Srbik, Korrespondenz (Bibl.) Nr. 249 bes. Anm. 2, Nr. 265 und 272.
131 „Die Verelendung Österreichs untersagte jede größere Kultur- und Wissenschaftspolitik, die Mühlsteine der
egoistischen Proporzpolitik der Christlichsozialen und Sozialdemokraten zerrieben jede sachliche Arbeit“,
Borodajkewycz, Srbik (1978) (Bibl.) 10.
132 Derndarsky, Österreich (Bibl.) 104.
133 Vgl. Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus (München 1920) 28 = Politische Schriften (München
1933) 28 : „… auch Wien ist eine Schöpfung spanischen Geistes. Nicht die Sprache allein schafft ein Volk.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien