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Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951) 291
auch allgemein so verstanden worden. Man vergleiche etwa die lobende Erwähnung von
Srbik und dessen zweibändigem Werk im unmittelbar auf den Abschnitt „der Führer im
Volk“ folgenden Paragrafen „deutsches Geschichtsbewußtsein“ der 1937 notabene in Graz
verlegten ziemlich unverblümten NS-Propagandaschrift „Schicksalsstunde Europas“157 des
österreichischen NS-Literaten Karl Anton Prinz Rohan158. In seinen Memoiren von 1954
hat dieser in einem Kapitel mit dem Titel „Führende Clercs“ Srbik dann wohl implizit
das Verdienst zuerkannt, den „Anschluss“ herbeigeschrieben zu haben159. Auch Schüssler,
der alte Mitstreiter Srbiks, seit jeher ein Kriegshetzer und Antisemit160, konzedierte in sei-
nem Nachruf, in dem er weiterhin auch von „deutschem Sendungsbewußtsein im Osten
und Südosten“, ja „ungeheuren Taten und Opfern der Deutschen Habsburgs in Südos-
ten“ schwärmte, dass die Wirkung der „Deutschen Einheit“ „gerade bei der Intelligenz, die
dem Nationalsozialismus kritisch oder ganz ablehnend gegenüberstand, ausblieb und seine
‚Deutsche Einheit‘ als Propaganda betrachtet wurde“161.
157 Karl Anton Prinz Rohan, Schicksalsstunde Europas (Graz 21937) 331. Rohan sah es in diesem Werk als
seine Aufgabe an, auf den Adel und das Großbürgertum protreptisch im Sinne des Nationalsozialismus ein-
zuwirken, vgl. etwa „Aber daß der Nationalsozialismus obsiegen konnte, und zwar in völlig offener Feld-
schlacht freiester Demokratie, und daß er auch nach den radikal antisemitischen Maßnahmen so ungeheure
Abstimmungserfolge zu erzielen vermochte, beweist, daß die Zeit für Dissimilation reif war. Wenn in geist-
reichen Diskussionen die Behauptung gewagt wird, daß es schon deshalb keine Judenfrage gebe, weil der
Rassebegriff wissenschaftlich nicht feststehe, dann hat wohl der Nationalsozialismus recht, wenn er auf die
einfache Tatsache des Blutsinstinkts des Volkes hinweist. […] Denn jeder Arier, auch der Judenfreund, weiß,
und zwar mit der gleichen Gewißheit, mit der er weiß, daß er lebt, daß der Jude etwas anderes, etwas Art-
fremdes ist ; und jede bodenständige, traditionsgebundene, vom Liberalismus unberührte arische Frau weiß
es beim Gedanken an ein Kind von einem jüdischen Vater“ (ebd. 342f.).
158 Vgl. zu diesem etwa Amann, Zahltag (wie Anm. 124) bes. 168–170.
159 Karl Anton Rohan, Heimat Europa. Erinnerungen und Erfahrungen (Düsseldorf/Köln 1954) 234 : „Selten
gewinnen Geschichtsforscher jene Autoritätsfülle, die sie dazu beruft, als Hüter der Vergangenheit, sozusa-
gen als Gedächtnis der Nation, durch ihr Lebenswerk an Gegenwart und Zukunft und also am politischen
Schicksal ihres Volkes mitzugestalten. Heinrich von Srbik ist für Österreich und im weiteren Sinne für das
ganze Deutschtum zu einem solchen Lehrmeister geworden. Keiner, neben Seipel und Hofmannsthal, hat
unsere Generation stärker beeinflußt als er, der große Österreicher, Deutsche und Europäer. Als er nach Jah-
ren des Schweigens nach 1945 noch einmal vor seinem Tod das Wort nahm, bekannte er sich zur Reichsidee
als dem großen und unvergänglichen Vermächtnis der Vergangenheit an Gegenwart und Zukunft.“
160 In seinen Memoiren, in denen er sich als allerchristlichsten NS-Gegner präsentiert, gibt es sogar ein eigenes
Kapitel „Mein Leben mit Heinrich von Srbik“, in dem der Leser erfährt, dass Srbik ihm 1937 „den Ehren-
namen seines jüngeren ‚Bruders im Norden‘“ [gab] ; Wilhelm Schüssler, Sonne über Gewitter. Einige Er-
innerungen ([Bensheim 1965]) 110–115. Ebd. 109 befürwortet der Autor indirekt einen „numerus clausus
als Gerechte [sic] Lösung“ für Studenten jüdischer Herkunft in Deutschland und verweist mit Wohlgefallen
auf eine antisemitische Bemerkung Meineckes ; vgl. zu dieser Pesditschek, Barbar (wie Anm. 106) 646. Zu
Schüsslers Kriegstreiberei siehe schon oben S. 291f.
161 Schüssler, Gedächtnis (Bibl.) 289 ; vgl. auch ders., Sonne (wie Anm. 160) 112.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien