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298 Martina Pesditschek
Unterrichtsminister Menghin196 hatten zunächst geplant, das „Führerprinzip“ auch so-
gleich auf die Akademie in Wien anzuwenden, aber der strukturkonservative Srbik in-
sistierte auf einer in Bezug auf ihren Ausgang natürlich gar nicht zweifelhaften „Wahl“,
sodass nach außen hin eine tatsächlich gar nicht gegebene Kontinuität vorgetäuscht
wurde – und der „Ernennung zum Mitglied des großdeutschen Reichstags durch den
Führer und Reichskanzler“ (ebenfalls im April 1938)197, der dann die Aufnahme in die
NSDAP per 1. Mai 1938 folgte. „In Anerkennung seiner Verdienste um die deutsche
Einheit erhielt er die niedrige Mitgliedsnummer 6.104.788.“198 Am 18. August 1938
hat Srbik zum letzten Mal in einem privaten Brief an Wandruszka mit „Heil Hitler !“
196 Siehe zuletzt Pesditschek, Barbar (wie Anm. 106) bes. 208 Anm. 1133 mit Literatur.
197 Im Rechtfertigungsschreiben vom 03.09.1945 heißt es, daß ich ohne mein Wissen und meinen Willen auf die
Wahlliste gesetzt worden bin und erst durch den Rundfunk von dieser Tatsache erfahren habe. […] Zur Annahme
der Reichstagsmitgliedschaft bewog mich nicht zuletzt das Interesse der Akademie der Wissenschaften, deren Wohl
mir anvertraut wurde (Derndarsky, Historie [Bibl.] 171f.) ; bei Posch, Srbik (Bibl.) 190 liest man : „Eines
Morgens las er in der Zeitung seine Ernennung zum Mitglied des Reichstages.“ Laut Reimann, Srbik (Bibl.)
68 nahm Srbik das „Mandat“ vielmehr nur aus Furcht vor Repressalien gegen sich und auch seine Familie an :
„Beinahe hätte er Glück gehabt. Die Parteigrößen in Berlin stießen sich an seinem Namen, auch war er nicht
Parteimitglied. […] Die Entscheidung dürfte Hitler selbst gefällt haben. Für ihn war ein so hochgeschätzter
Mann wie Srbik als Reichstagsabgeordneter eher ein Glücksfall“ ; vgl. demgegenüber den Bericht Glaises von
Horstenau über eine Unterredung mit Hitler : Ich sprach über dynastische, Staaten- und Volkstumsgeschichte und
erwähnte den Namen Srbik, der Hitler offenbar sehr wenig – wenn überhaupt etwas – sagte, General im Zwie-
licht 2 (wie Anm. 15) 287.
198 Graf-Stuhlhofer, Opportunisten (Bibl.) 154. Den 01.05.1938 als Aufnahmedatum bestätigt Srbik in
seinem Rechtfertigungsschreiben vom 03.09.1945 übrigens auch selbst und tritt damit gegen den Vorwurf der
Illegalität auf, Derndarsky, Österreich (Bibl.) 494. Srbik erhielt eine weitaus niedrigere Mitgliedsnummer
als z.B. Rudolf Egger (vgl. Martina Pesditschek, Wien war anders – Das Fach Alte Geschichte und Al-
tertumskunde, in : Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus [wie Anm. 36] 287–316, hier 300f.) oder
Franz Miltner (vgl. Martina Pesditschek, Franz Miltner, in : Lebensbilder I – Klassische Archäologen und
der Nationalsozialismus, hg. v. Gunnar Brands, Martin Maischberger [Menschen – Kulturen – Traditi-
onen. Studien aus dem Forschungscluster des Deutschen Archäologischen Instituts 2, Rahden/Westf. 2012]
177–191) ; siehe dort auch allgemein zur Aussagekraft von Mitgliedsnummer und Beitrittsdatum. Zu Srbiks
Parteieintritt vgl. auch Reinalter, Srbik (Bibl.) 82f. und Schönwälder, Historiker (wie Anm. 5) 320f.
Anm. 50. In seinem Aufnahmeantrag vom 29.05.1938 berief Srbik sich darauf, während der Systemzeit
„nationalsozialistische Studenten und junge Gelehrte“ gefördert und „Nationalsozialisten durch Interven-
tion und sonstige Hilfe“ unterstützt zu haben, und führte „Begründung und Führung der ,gesamtdeutschen
Geschichtsauffassung‘“ als „sonstige Tätigkeit für die NSDAP“ an ; Derndarsky, 139 ; vgl. Gernot Heiss,
Pan-Germans, Better Germans, Austrians : Austrian Historians on National Identity from the First to the
Second Republic, in : German Studies Review 16,3 (Oct., 1993) 411–433, hier 413 ; Ota Konrád, Geistes-
wissenschaften nach den Umbruchsjahren 1918 und 1938. Die Deutsche Universität in Prag und die Univer-
sität in Wien im Vergleich, in : Wissenschaft macht Politik. Hochschule in den politischen Systemumbrüchen
1933 und 1945, hg. v. Sabine Schleiermacher, Udo Schagen (Wissenschaft, Politik und Gesellschaft
3, Stuttgart 2009) 193–218, hier 207 mit Anm. 56.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien