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Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951) 303
dem größten wissenschaftlichen Vorkämpfer des christlich-germanischen Gedankens, in
Friedrich Julius Stahl, ein starkes Erbgut jüdischer Gedanken- und Gefühlswelt und eine
bestimmte innere Fremdheit gegenüber dem deutschen Denken erhalten. Und immer
wieder kam die zur Abstraktion, zur Analyse, zur rein gedanklichen Konstruktion nei-
gende jüdische besondere Geistesart zur Geltung, und der dialektisch-kritische Scharf-
sinn überwog nur allzuoft die schöpferische Fähigkeit214. […] Konservativismus und
gesellschaftszersetzende Agitation durch eine schneidend harte und kalte, advokatorische
Art der Publizistik und Rede – immer blieb doch ein untilgbares Merkmal der eigenen
Rasse in den Juden wirksam.“215 Selbst bei seiner etwas halbherzigen Verteidigung Mei-
neckes gegen einen profilierungssüchtigen Jungnazi in der HZ216 versäumte er keines-
wegs gleich zu Beginn die Klarstellung, dass er selbst im Gegensatz zum Angegriffenen
sehr wohl Rassenantisemit sei217. Wenn für Srbik zu dieser Zeit das singuläre Verbrechen
214 Nach 1945 schrieb Srbik dann nur mehr von einem „mehr aufnehmenden als originär schaffenden Stahl“ ;
Srbik, Geist 1 (wie Anm. 14) 399.
215 Srbik, Einheit 3 (wie Anm. 5) 20f.; vgl. für diese Passage bes. die Analyse bei Christian Gerbel, Zur „ge-
samtdeutschen“ Geschichtsauffassung, [zu] der akademischen Vergangenheitspolitik der Zweiten Republik
und dem politischen Ethnos [sic] der Zeitgeschichte, in : Transformationen gesellschaftlicher Erinnerung.
Studien zur „Gedächtnisgeschichte“ der Zweiten Republik, hg. v. dems. u.a. (Reihe Kultur.Wissenschaften
9, Wien 2005) 86–130, hier 90f., der Srbik aus diesem Anlass nicht zu Unrecht mit Schachermeyr ver-
gleicht, siehe zu dessen Rassenlehre Pesditschek, Barbar (wie Anm. 106) 307–314. Im selben Band der
„Deutschen Einheit“ sucht Srbik, 81f. übrigens sogar auch noch Kaiser Franz Joseph als gefühlsmäßigen
Antisemiten zu erweisen : „Das Bürgertum Wiens ließ sich von Menschen eines Fremdvolkes führen, das in
Österreich ebenso dynastisch und staatspatriotisch auftrat, wie es sich im deutschen Nationalverein national-
staatlich und österreichfeindlich betätigte. Der Kaiser […] fühlte zwar eine innere Fremdheit gegenüber dem
Judentum und empfand es als störend, daß sich in seinem geliebten Ischl ,die Badegäste und die Juden‘ um
seine Person drängten, aber er glaubte doch staatlichen Notwendigkeiten zu gehorchen, wenn er dem gesell-
schaftlichen und dem Machtauftrieb der Juden freie Bahn ließ.“ Des Weiteren ließ Srbik auch noch Goethe
einen Rassenantisemiten sein, vgl. Heinrich Ritter von Srbik, Goethe und das Reich (Leipzig 1940) 31 : „Er
war überzeugt von den fortdauernden Eigenschaften der Rasse und empfand lebendig die Artverschiedenheit
des Deutschen und des Juden.“
216 Heinrich Ritter von Srbik, Rezension von : Gerhard Schröder, Geschichtsschreibung als politische Erzie-
hungsmacht (Diss. Heidelberg 1939), in : HZ 162 (1940) 335–339, hier 338f.
217 „Seit vielen Jahren stehe ich auf einem ganz anderen politischen Feld als Meinecke. Ich habe seine Wandlung
vom Konservativen zum Demokraten und Anwalt der Weimarer Republik nicht mitgemacht, seine Anschau-
ungen in der Rassenfrage nicht geteilt, […] und ich glaube nicht an das ,Eiland reiner Wissenschaft‘ […] und
hege nicht die Leidenschaft zum reinen Geist […]“ ; dabei ist Meinecke nach heutigen Begriffen selbst Anti-
semit gewesen, und zwar sogar noch nach 1945, vgl. Pesditschek, Barbar (wie Anm. 106) 646. All dieser
Rassenantisemitismus hinderte Srbik im Übrigen nicht daran, mit Kollegen jüdischer Herkunft wie Hans
Rothfels oder Friedrich Engel-Janosi namentlich vor deren Emigration geradezu freundschaftliche Beziehun-
gen zu unterhalten, vgl. Srbik, Korrespondenz (Bibl.) Nr. 318f. (welche Briefe ein Versprechen Srbiks bezeu-
gen, sich für Rothfels um eine Stelle im englischsprachigen Ausland zu bemühen, nachdem Anstrengungen
im Inland keinen Erfolg gebracht hatten ; Eckel, Rothfels [wie Anm. 10] 194f.; vgl. auch Derndarsky,
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien