Page - 307 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Image of the Page - 307 -
Text of the Page - 307 -
Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951) 307
fühlen, zeigte sie doch an, dass man höheren Orts seiner höchstpersönlichen „Ehrenrettung
Österreichs“ nicht die geringste Bedeutung beimaß und ergo seine zahllosen Schriften zur
„gesamtdeutschen Geschichtsauffassung“ nicht in der erhofften Weise rezipiert hatte230.
Auch die Äußerungen seiner größten Apologeten weisen eindeutig in die eine Richtung,
dass ihn von allen Aspekten der nazistischen Herrschaftsausübung im vormaligen Öster-
reich am weitaus meisten die Missachtung und Geringschätzung österreichischer Beson-
derheit in Gegenwart und insbesondere Vergangenheit enttäuscht hat231. Auch sonst ist
Srbik immer wieder „Opfer“ kleinerer Kränkungen und Zurücksetzungen geworden : So
übte die Funktion des NSDAP-Beauftragten der Akademie zunächst der Botaniker Fritz
Josef Knoll232 aus233 ; der Gauleiter Josef Bürckel, dessen „rachsüchtige Methode, durch
seine Saarpfalz-Freunde über die Köpfe der Österreicher hinweg zu regieren“, in der Wie-
ner NSDAP auch sonst wenig Begeisterung hervorrief234, verhinderte „durch unmittelba-
res Eingreifen“ einen Einsatz Srbiks als Redner just auf einer Gaukulturwoche Saarpfalz,
die vom 1. bis 9. Oktober 1938 stattfand235 ; und in einem Brief von Srbik an Ferdinand
Bilger aus dem Februar 1944236 findet sich die Klage, dass ihn der „Völkische Beobachter“
im Dezember 1943 erneut um Mitwirkung gebeten, das von ihm gelieferte (und offenbar
keineswegs als regimekritisch intendierte) Manuskript mit dem Titel „Geschichtswissen-
schaft und Politik“ dann aber nicht abgedruckt habe237. Anfang 1945 brachte Srbik selbst
230 Vgl. diesbezüglich bes. das Glaise-Zitat in Anm. 197.
231 Vgl. Hamann, Kriegs- und Nachkriegserinnerungen (Bibl.) 372–377 ; Posch, Srbik (Bibl.) 190 : „Vollends
entrüstet war er über die in jenen Jahren so beliebte Herabwürdigung Österreichs und seiner Dynastie.“ Siehe
auch die durch einen Brief von Ferdinand Bilger an Srbik bezeugte im Vertrauen gemachte Aussage Srbiks, dass
er eigentlich immer österreichischer würde : Srbik, Korrespondenz (Bibl.) Nr. 311, und weiters Albert Massi-
czek, Die Situation an der Universität Wien März/April 1938, in : Wien 1938, hg. v. dems. (Forschungen
und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 2 ; Wien 1978) 216–229, hier 224f., der ebenfalls eine in Privatge-
sprächen geäußerte Kritik Srbiks erwähnt und dann leider als einziges konkretes Ziel von dessen Kritik den
Umstand nennt, dass der NSDAP-Beauftragte für die Akademie zunächst nicht Srbik selbst, sondern der Bo-
taniker Fritz Josef Knoll gewesen ist (siehe unten). Massiczek kritisiert übrigens seinerseits an Srbik, dass „das
öffentliche Bekenntnis, daß man Jahre hindurch öffentlich einiges falsch gemacht hatte, […] auch nach dem
Sturz des NS-Regimes aus[blieb]“.
232 Vgl. General im Zwielicht 2 (wie Anm. 15) 585 Anm. 42.
233 Vgl. Massiczek, Situation (wie Anm. 231) 225 : „Man kann sich vorstellen, was ein Ritter von Srbik fühlte,
als er zwischen sich und Hitler den Botaniker Knoll als Führer zwischengeschaltet wußte.“ Doch genoss Srbik
dann schon wenig später in der Formulierung von Oberkofler, Politische Stellungnahmen (wie Anm.
201) 120 „bei den Nazis derartiges Vertrauen, dass er die Funktion des NSDAP-Beauftragten der Akademie“
von Knoll übernehmen konnte, siehe Matis, Anpassung (wie Anm. 194) 19f.
234 Luza, Österreich (wie Anm. 229) 98.
235 BAB, R 15/35, Bl. 99 (Bericht von Reichsamtsleiter im Amt Rosenberg Matthes Ziegler, vgl. zu diesem
Klee, Personenlexikon [Bibl.] 694).
236 Srbik, Korrepondenz (Bibl.) 553 Nr. 364.
237 Und zwar mit der Begründung, dass die Schriftleitung im Fall eines Abdrucks die größten Schwierigkeiten
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien