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Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951) 317
findet, von dem es anerkennend heißt, dass er „die Kirche liebte und ihrer Lehre als
Wahrheit durch Forschung […] diente und […] die Aufklärung überwand“274. Dafür
tadelt er am NS-Gegner Oswald Spengler das Fehlen der „Gewißheit, daß der Geist die
stärkste aller Mächte ist“, und er vermisst „das Bekenntnis zur Liebe und das sittliche
Verantwortungsgefühl“275, das heißt genau jene Art von Leerformeln und Phrasen, die
sein eigenes Alterswerk durchzieht276. Auch sonst nützt Srbik die Gelegenheit, gegenüber
vor Kurzem verstorbenen alten Gegnern das letzte Wort zu behalten : So ist der „nur logi-
sche Denker Brandenburg […] der volksbewegten Geschichtsschau und dem historischen
Idealismus“ (offenbar Srbiks selbst) „nicht gewachsen gewesen“277, und Strzygowski „war
kein philosophisch veranlagter Denker“278 wie offenbar Srbik selbst. Nur in Tönen des
höchsten Lobes preist er hingegen die eigene „gesamtdeutsche Geschichtsauffassung“279,
die schlussendlich als NS-Opfer dargestellt wird : „… an ihrem Bodengewinn war nicht
zu zweifeln, als der Nationalsozialismus, der ihr eine Zeitspanne lang eine freilich nur
äußere Stütze zu werden geschienen hatte, ihre Wissenschaftsgrundsätze schwer verletzte
und dann das deutsche Volk ins Verderben führte.“280 – Was mit dem letzten Satz gemeint
ist, muss unklar bleiben ; klar ist aber wohl schon geworden, dass das Werk solide und
ausführlich nur über die Idiosynkrasien des Autors281 informiert.
274 Srbik, Geist 2 (wie Anm. 14) 40. Dass ein katholischer Theologe seine eigene Kirche liebte, ist sicherlich
eine interessante Information – es ist ja durchaus denkbar, dass die meisten seiner Kollegen ihrer eigenen Kir-
che mit Gleichgültigkeit oder Hass begegnen. Allerdings hätte man gerne näher gewusst, wie es diesem Genie
gelang, gleichsam im Alleingang die Aufklärung zu überwinden. Einen Hinweis auf die Art und Weise liefert
aber vielleicht schon die weitere Angabe, dass er der „Wahrheit“ der Lehre seiner Kirche durch „Forschung“
diente : wer einer bestimmten schon feststehenden „Wahrheit“ durch „Forschung“ dienen will, wird die Re-
sultate der Letzteren immer wieder manipulieren oder missachten müssen.
275 Ebd. 322.
276 Ebd. 336 hat Srbik der Spengler’schen Weltsicht auch insgesamt eine dezidierte Absage erteilt. Nach einem
Aufruf, sich immer vor Augen zu halten, „wie unendlich viel die deutsche Kultur für die Weltkultur bedeutet
hat und bedeuten wird“, ergeht er sich in folgendem Credo : „Wir glauben nicht an Spenglers determinis-
tischen Fatalismus, glauben nicht an den dauernden Untergang des Abendlandes, sondern an eine weltge-
schichtliche Zeitenwende, in der ein Neubau der uralten, zwischen den Westen und den Osten gestellten
Völkergemeinschaft aus ihrem eigenen Wesen heraus erfolgen wird, eine Synthese des christlich-universalen,
überindividuellen Menschheitsgedankens und seiner Gliedhaftigkeits- und Liebesidee, seines organischen
Sozialdenkens mit einem undogmatischen, nicht marxistisch-orthodoxen Sozialismus. Wir glauben nicht
an eine zwingende, pessimistische [sic !] morphologische Gesetzmäßigkeit, sondern an die Lebenskraft des
abendländischen Menschen kraft seines Geistes !“ Einen „undogmatischen, nicht marxistisch-orthodoxen So-
zialismus“ hatte es im Übrigen in Deutschland schon zwischen 1933 und 1945 gegeben.
277 Ebd. 14.
278 Ebd. 307.
279 Ebd. 346–348.
280 Ebd. 348.
281 Geradezu obszön ist Srbiks Bestimmung von „Kern des Wesens und der Pflicht“ der Geschichtswissenschaft
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien