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Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951) 319
oder Gustav Pauls286“ und deklariert sich als „weit entfernt, in all dem nur Ungeist zu
sehen“, wenngleich er „den Einschlag von Irrgeist und eine Gefährdung der Sittlichkeit
in dieser Wissenschaftsrichtung“ erkenne287. Ganz am Ende dieses Abschnitts über den
Nationalsozialismus heißt es : „Wenn wir gleichwohl würdigten, daß auch die national-
sozialistische Welle in der deutschen Historie manche gesunde Erkenntnisfortschritte für
die Erkenntnis der deutschen Volksgeschichte und für die abendländische und europäi-
sche Lebensgliederung gebracht hat, so konnte sie doch das deutsche Volk nicht zu seinen
echten Urgründen zurückgeleiten und ihm nicht die kulturelle Führung Europas errin-
gen helfen.“288 Die beiden zuletzt zitierten, deutlich verharmlosend-apologetisch wirken-
den Sätze haben natürlich ganz zu Recht schon aufmerksame Leser wie Derndarsky289
und Hofer290 verstört ; aber noch bedenklicher sollte stimmen, dass Srbik in „Geist und
Geschichte“ den Nationalsozialismus als „der große Rückschlag gegen Liberalismus und
Christentum, internationalen Sozialismus, Kommunismus und Judentum“ bezeichnet291
– da von all diesen Begriffen für Srbik (und die meisten seiner Leser) allein „Christen-
tum“ positiv besetzt war, scheint dem Nationalsozialismus hier sogar eher ein recht großes
Kompliment gemacht zu werden.
Am bemerkenswertesten aber ist das hier über Meinecke ausgesprochene Urteil – wer
meint, Srbik werde seinem alten Mitmandarin, dem das gesamte Werk ja gewidmet ist,
wegen dessen NS-Gegnerschaft vielleicht eine größere und bessere Urteilskraft als sich
selbst zuschreiben, geht ganz fehl. Srbik schließt seine Eloge vielmehr mit der Einschrän-
kung, Meinecke sei „der brutalen Wirklichkeit nicht ganz gewachsen gewesen“ ; dieser
habe als allzu großer Idealist Geschichte zu wenig als „Handeln von Männern, die mitten
in der bewegten, der Taten bedürftigen Welt stehen“, bzw. nicht genügend als Kampf
Eckart Kause, Ludwig Huber, Holger Fischer (Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte 3, I–III,
Berlin/Hamburg 1991) passim.
286 Die „historiographischen Leistungen“ Gustav Pauls hießen „Grundzüge der Rassen- und Raumgeschichte des
deutschen Volks“ und „Die räumlichen und rassischen Gestaltungskräfte der deutschen Geschichte“. Als ob
diese Titel nicht schon für sich sprächen, bietet Srbik auch noch eine sorgfältige Charakteristik : „Paul fußt
auf [Hans F. K.] Günthers Rassenlehre und geopolitischer Grundlage, also auf ‚Blut und Boden‘, und sucht
die Brücke von der biologischen zur vorwiegend staatlichen Volksgeschichte zu schlagen“ ; Srbik, Geist 2
(wie Anm. 14) 407 Anm. 41.
287 Ebd. 363.
288 Ebd. 364.
289 Derndarsky, Historie (Bibl.) 167 : „So jedenfalls wird der Eindruck vermittelt, daß der Nationalsozialis-
mus als tendenziell positiv mit gewissen Auswüchsen, statt prinzipiell negativ mit gewissen Ausnahmen zu
sehen wäre.“
290 Walther Hofer, H. von Srbiks letztes Werk, in : HZ 175 (1953) 55–66, hier 64 ; vgl. Heiber, Frank (wie
Anm. 118) 580.
291 Srbik, Geist 2 (wie Anm. 14) 363.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 2
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 678
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien