Page - 5 - in Die Operisti als kulturelles Netzwerk - Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Volume 1 & 2
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5Einführung
1.1. Kulturhistorische Bedeutung
Die Briefe aus der Zeit, in der das Ehepaar getrennt war, beschäftigen sich mit den
Lebensbedingungen von Franz Pirker in London, seinen Strategien und Vorgehens-
weisen gegenüber seinem Hauptschuldner, dem Operndirektor Charles Sackville Earl of
Middlesex, und mit der ¿nanziellen Notlage, die ihn und seine Frau gleichermaßen be-
traf. Wirtschaftliche Agenda (Käufe von englischen Luxuswaren zum pro¿tablen Weiter-
verkauf durch Marianne auf dem Festland, Operationen des Geldtransfers) und beruÀiche
Aktivitäten (Bemühungen Mariannes um lukrative Scritture oder eine feste Anstellung)
nehmen deshalb in den Schreiben breiten Raum ein. Sie öffnen aber auch den Blick auf
das künstlerische Umfeld und die persönlichen Beziehungen, die das Paar mit diesem
verbanden, auf den sozialen Status der Pirkers sowie die Organisation ihres beruÀichen
Lebens. Zugleich lassen sie uns an den gedanklichen Hintergründen ihrer Entscheidun-
gen teilhaben. Der Briefwechsel mit dem Kastraten Giuseppe Jozzi, zugleich Kollege
und Freund, bereichert dieses Gesamtbild, indem er in vertraulichem Ton zur Perspektive
der Pirkers die eines Sängers und Instrumentalisten hinzufügt. Obwohl die Überlieferung
weder für die durch die Trennung der Pirkers de¿nierte Kernzeit des Quellenbestands
von August 1748 bis September 1749 noch für die darauffolgenden Jahre bis 1756
lückenlos ist, bildet die Korrespondenz doch ein recht geschlossenes Ganzes und hat für
das 18. Jahrhundert kulturgeschichtlichen Seltenheitswert. Unter den im Musiktheater-
betrieb tätigen Berufsgruppen haben vor allem die im Vergleich zu anderen Künstlern
sesshafteren Librettisten umfangreiche Korrespondenzen hinterlassen. Als Literaten
waren sie Teil einer intellektuellen Szene, in der brieÀicher Austausch auch im Sinne
einer „Gelehrtenkorrespondenz“ gepÀegt wurde. Prominente Beispiele dafür sind die
Briefcorpora Pietro Metastasios19, Giovanni Battista Castis20, Ranieri deތ Calzabigis21
sowie die Briefe Lorenzo Da Pontes22 oder auch Giovanni de Gamerras23. Bei den Kom-
ponisten sind die bisher nachweisbaren Korrespondenzen hingegen schon weniger zahl-
reich. Als Beispiele seien die Briefe Johann Adolf Hasses24 und Christoph Willibald
Glucks25 erwähnt, sowie der Schriftverkehr der Familie Mozart26, der in Umfang und Zu-
sammensetzung allerdings wiederum einen Sonderfall darstellt. Weniger scharf abgrenzbar
19 Metastasio, Pietro: Tutte le opere, hg. von Bruno Brunelli, Bde. 3 –5, Verona 1951–1954.
20 Casti, Giambattista: Epistolario, hg. von Antonino Fallico, Viterbo 1984.
21 Landesarchiv Brno, Sign: R A Kaunitz, G 436.
22 Da Ponte, Lorenzo: Lettere, hg. von Giampaolo Zagonel, Vittorio Veneto 1995.
23 Marri, Federico: Le lettere di Giovanni De Gamerra, in: Studi musicali 29 (2000), H. 1, S. 7–183
H. 2, S. 293–
452 30 (2001), H. 3, S. 59 –127.
24 Hasse, Johann Adolf und Ortes, Giammaria: Lettere (1760–1783), hg. von Livia Pancino (Specu-
lum Musicae 4), Turnhout 1998.
25 Eine Gesamtausgabe der Briefe wird im Rahmen der Gluck-Gesamtausgabe erscheinen.
26 Mozart, Familie: Briefe und Aufzeichnungen, erweiterte Ausgabe, hg. von Ulrich Konrad, 8 Bde.,
Kassel 2005.
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Die Operisti als kulturelles Netzwerk
Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Volume 1 & 2
- Title
- Die Operisti als kulturelles Netzwerk
- Subtitle
- Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker
- Volume
- 1 & 2
- Editor
- Daniel Brandenburg
- Publisher
- Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8898-8
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 1048
- Category
- Kunst und Kultur