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13Einführung
Cutter Court near Carlton House“. Bei dieser Wohnung, in der er bis Februar 1749 blieb,
handelte es sich seiner Aussage nach um das ehemalige Logis von Francesco Borosini.
Von dort wechselte er zusammen mit Giuseppe Jozzi, der inzwischen für kurze Zeit nach
London zurückgekehrt war, in eine nach eigenen Angaben69 besonders günstige Unter-
kunft bei einem Herrn Labrosse (die Post erreichte ihn nun an der Adresse „at the 4 nations
Panton Street“), dessen Name Marianne vertraut gewesen sein muss, weil Franz ihn in
den Briefen nicht weiter einführt. Denkbar ist also, dass Labrosse, über dessen Beruf
den Briefen nichts zu entnehmen ist, im weitesten Sinne ebenfalls dem Theatermilieu
verbunden war. Er muss jedenfalls einen gewissen Stand gehabt haben, weil er, wie die
Ãfeineµ Gesellschaft, Zeit in Bath zu verbringen pÀegte. Ein besonderer Vorzug der Unter-
kunft war, dass sie „2 herrliche Zimmer, die man in einen Saal verwandeln kan, wann
Frimaoon loge gehalten wird“,70 hatte. Labrosse führte wohl ein lustiges Leben und
zog gern durch die Wirtshäuser.71 Einige seiner Kumpane aus Handwerker- und Theater-
kreisen waren bei ihm verschuldet.72 Am 29. Juli 174973 bekundete Franz den Wunsch,
aus dieser Wohnung wieder auszuziehen, blieb dann aber doch bis zu seiner Abreise aus
London dort, wie aus seinem Schreiben vom 6. September 174974 hervorgeht.
Bis Franz tatsächlich die Abreise gelang, war sein Alltag von Hunger, gesundheitli-
chen Problemen und Momenten großer ¿nanzieller Not geprägt.75 Um seine brieÀichen
Betteleien um Geld zu rechtfertigen, sah Franz sich immer wieder gezwungen, seine vie-
len Ausgaben vorzurechnen und seinen Zustand in dunklen Farben wiederzugeben. So
erfahren wir beispielsweise, dass die wöchentliche Miete für sein zweites Quartier („des
Tessarini Zimmer“) fünf Shillings betrug. Dieser Betrag muss durchaus üblich gewesen
sein, weil Franz selbst drei oder vier Shillings, die die Solistinnen der Crosa-Truppe
für ihre Unterkunft zahlen wollten, als zu wenig erachtete.76 Zu den weiteren Kosten gibt
der Geiger für eine tägliche Schale Brei aus Zucker und Brot monatlich 16 Shillings77
und für Kerzen 18 Shillings an.78 Darüber hinaus war er gelegentlich auch in Adels-
häusern zu Gast, die freien Mittags- und Abendtisch hielten, so etwa im Hause des Earl
of Abingdon.79 Auch Solidarität unter Kollegen half hin und wieder, dem Hunger zu ent-
gehen: Am Weihnachtstag des Jahres 1748 war Franz mittellos und froh, bei der Sängerin
69 Brief vom 4. Februar 1749 (103).
70 Ebd. Franz dürfte dieser Bemerkung zufolge Freimaurer gewesen sein.
71 Brief vom 1. Juli 1749 (182).
72 Brief vom 15. Juli 1749 (192).
73 Brief vom 29. Juli 1749 (199).
74 Brief vom 6. September 1749 (217).
75 Zu den Lebenshaltungskosten in London bzw. England im 18. Jahrhundert siehe Burnett, John:
A History of the Cost of Living, Harmondsworth 1969, S. 128 –188: 128 –148.
76 Brief vom 30. September 1748 (33).
77 Das entspricht etwa 6 Pence am Tag, wobei 2 kg Brot in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in
London im Schnitt 4 bis 5 Pence kostete, siehe Burnett, History of the Cost of Living, S. 135.
78 Brief vom 27. Juni 1749 (179).
79 Brief vom 24. Juni 1749 (176).
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Die Operisti als kulturelles Netzwerk
Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Volume 1 & 2
- Title
- Die Operisti als kulturelles Netzwerk
- Subtitle
- Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker
- Volume
- 1 & 2
- Editor
- Daniel Brandenburg
- Publisher
- Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8898-8
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 1048
- Category
- Kunst und Kultur