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16 Einführung
Kopist, Textbearbeiter und Übersetzer italienischer Libretti engagiert. Für Mariannes
Gastspieljahre in Oberitalien ist eine gemeinschaftliche vertragliche Bindung des Paares
an das Teatro San Giovanni Grisostomo in Venedig 1743/44 zwar nicht eindeutig
belegbar, in der Korrespondenz ¿ndet sich jedoch der Hinweis, dass beide nebenher
Engagements in Oberitalien wahrnahmen und offensichtlich auch zusammen auftraten.95
Als Künstlerin alleine unterwegs zu sein, wurde von Marianne während der Zeit der
Trennung von ihrem Mann nicht nur als ökonomischer Nachteil, sondern auch als Ein-
schränkung ihrer Freiheit im Alltag angesehen.96 Deshalb und weil die Sängerin in drei
weiteren Fällen wie selbstverständlich von einer gemeinsamen Scrittura ausgeht, dürfte
diese Variante die Regel gewesen sein. Sowohl in Zusammenhang mit der Abreise
von Franz Pirker aus London und seiner Rückkehr zur Mingotti-Truppe als auch bei
Mariannes Verhandlungen mit den Wiener Theatern und dem Stuttgarter Hof diskutieren
die beiden die entsprechenden Bedingungen. Im Rahmen des vertraglich ¿xierten Engage-
ments seiner Frau sollte Franz beispielsweise von Pietro Mingotti neben einem Platz im
Orchester die Kopiatur der Truppe übertragen und damit das Recht zuerkannt werden,
diese Tätigkeit auf eigene Rechnung auszuüben.97 Im Falle der bereits erwähnten Wiener
Verhandlungen hingegen war die angebotene Gage niedriger als üblich und keine Kom-
pensation im Hinblick auf die Tätigkeit von Franz Pirker in Sicht, was mit dazu beitrug,
dass Marianne dieses Angebot ablehnte.98 In Stuttgart war das Salär hingegen in Ordnung,
und für Franz bestand zugleich die Aussicht, in absehbarer Zeit ebenfalls in den bezahlten
Hofdienst aufgenommen zu werden.99
Das Modell des Künstlerehepaares verband überdies die Flexibilität des Einzelreisen-
den mit den Vorzügen des gemeinsam reisenden Ensembles. Da Marianne Pirker 1748 das
Reisen mit ihrem Ehemann verwehrt war, schloss sie sich folgerichtig im Mai 1748, von
London kommend, dem Ensemble Pietro Mingottis in Hamburg an und zog mit diesem
im November desselben Jahres weiter nach Kopenhagen. Dieser Transfer fand unter der
Verantwortung und auf Rechnung des Impresarios statt.
Ihre Tätigkeit in einer Operntruppe, der sie bereits zuvor angehört hatte, versprach
zunächst ein halbwegs gesichertes Auskommen, platzierte sie aber auch an einem Knoten-
punkt des künstlerischen InformationsÀusses und konnte damit Ausgangspunkt für weitere
95 Während Marianne ein Gastspiel in Bologna gab, betätigte Franz sich auch außerhalb der Opern-
häuser als Musiker, siehe Brief vom 11. September 1748 (16).
96 Sie beklagt sich z. B. darüber, dass sie „keine gute Figur“ abgebe, wenn sie allein ins Wirtshaus
gehe Brief vom 18. Oktober 1748 (55). Auch Franz sieht das Problem, wenn er seiner Frau rät,
sich bei ihrer Reise nach Durlach und Darmstadt von ihrem Vater begleiten zu lassen Brief vom
17. Juni 1749 (167).
97 Bei ihrem Engagement mit Mingotti in Kopenhagen 1749/50, siehe u. a. Brief vom 15. Juli 1749 (194).
98 Brief vom 18. Oktober 1748 (55).
99 Er wird mit Dekret vom 20. September 1752 als Konzertmeister angestellt vgl. Schauer,
Eberhard: Das Personal des Württembergischen Hoftheaters 1750 –1800, in: Reiner Nägele (Hg.),
Musik und Musiker am Stuttgarter Hoftheater (1750
–1918), Stuttgart 2000, S. 40.
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Die Operisti als kulturelles Netzwerk
Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Volume 1 & 2
- Title
- Die Operisti als kulturelles Netzwerk
- Subtitle
- Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker
- Volume
- 1 & 2
- Editor
- Daniel Brandenburg
- Publisher
- Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8898-8
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 1048
- Category
- Kunst und Kultur