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aber nur institutionelle Zeugnisse des Wirkens der Opernleute, nicht solche dieser selbst
als den Akteuren einer heterarchisch organisierten Struktur.119 Daten aus den Libretti er-
möglichen also â anders als die Briefe der Operisti â nur eine Perspektive aus der Position
eines Betrachters von auĂen. Die Korrespondenz der Pirkers erlaubt hingegen eine Unter-
suchung des PhĂ€nomens von innen, nĂ€mlich aus dem Blickwinkel der KĂŒnstler selbst. Da
sie Schreiben mehrerer Personen umfasst, ist trotz unvollstĂ€ndiger Ăberlieferung der im
Kernzeitraum 1748àŻ âàŻ 49 verfassten Briefe eine detailliertere Betrachtung des Netzwerks
aus unterschiedlichen Perspektiven möglich.
3.2. Die Netzwerke der Pirkers
Zu dem kĂŒnstlerischen Netzwerk von Franz und Marianne Pirker gehören im Kern zu-
nĂ€chst einmal nur am Opernbetrieb mitwirkende kĂŒnstlerische Berufssparten, vor allem
SĂ€nger und Impresari. Da die beiden Ehepartner unterschiedliche Professionen vertraten,
brachten sie in dieses Netzwerk auch unterschiedliche Schwerpunkte ein: Franz erweiterte
als Geiger die Verbindungen zu den Instrumentalisten, wÀhrend Marianne als SÀngerin
vor allem die Kontakte zu den Gesangssolisten beisteuerte. Die verschiedenen Standorte
im Zeitraum des Briefwechsels förderten diese Differenzierung, weil Franz in London
zwar zur Opernszene Kontakt hielt, ihr aber nicht direkt durch ein Engagement angehörte,
wĂ€hrend Marianne als Mitglied der Mingotti-Truppe unmittelbar in dieses beruĂiche Um-
feld eingebunden war. Voraussetzung fĂŒr die Aufnahme in das kĂŒnstlerische Netzwerk
der Pirkers waren beruĂiche Gemeinsamkeiten, meist verbunden mit persönlichen Be-
kanntschaften. Im Falle der SĂ€ngerin Maria Masi stellt Marianne die Verbindung zu Franz
dadurch her, dass sie auf seine Bekanntschaft mit deren Mann in Bologna verweist.120 Das
Ehepaar Borosini gehörte spĂ€testens seit dem gemeinsamen Aufenthalt in London â wenn
nicht sogar schon seit einer frĂŒheren Begegnung in Wien â zu den Kontakten der Pir-
kers. Besonders wertvoll waren deshalb Wirkungskreise und -orte, die im Laufe der Zeit
das KnĂŒpfen einer Vielzahl von Verbindungen ermöglichten. Im Falle der Pirkers waren
das insbesondere das Mingotti-Ensemble, die Londoner Musik- und Opernszene sowie
wahrscheinlich auch der fĂŒr den mitteleuropĂ€ischen Opernbetrieb wichtige geograÂżsche
Bereich Oberitaliens. Wie belastbar die Kontakte waren, und wie hoch die Bereitschaft
der jeweiligen Person ausgeprÀgt war, im Sinne von Marianne oder Franz Pirker tÀtig
zu werden, wurde von verschiedenen Faktoren bestimmt: Persönliche und beruĂiche
Parameter (persönliche Freundschaft, erotische Bindungen oder beruĂiches Konkurrenz-
verhÀltnis) gehörten ebenso dazu wie landsmannschaftliche Zugehörigkeit121 oder auch
119 Siehe dazu GieĂmann, Sebastian: Die Verbundenheit der Dinge. Eine Kulturgeschichte der Netze
und Netzwerke, Berlin 2016, S. 123.
120 Brief vom 11. September 1748 (16).
121 Brief vom 28. September 1748 (31), âper essere Nazionaleâ. Giuseppe Jozzi warnt Marianne
davor, aus landsmannschaftlicher Verbundenheit Gluck zu sehr zu vertrauen.
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Die Operisti als kulturelles Netzwerk
Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Volume 1 & 2
- Title
- Die Operisti als kulturelles Netzwerk
- Subtitle
- Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker
- Volume
- 1 & 2
- Editor
- Daniel Brandenburg
- Publisher
- Ăsterreichischen Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8898-8
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 1048
- Category
- Kunst und Kultur