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24 EinfĂŒhrung
gleichsam auf dem ĂDienstweg” an ihre FĂŒrsten empfehlen, MilitĂ€rs von Rang konnten
dies ĂŒber die militĂ€rische Hierarchie ebenfalls tun. Marianne suchte in Kopenhagen die
NÀhe der Oberhofmeisterin der dÀnischen Königin die Königin selbst sollte sie dann, wie
Franz Pirker anregte, an ihre Schwester in Kassel empfehlen.127 Giuseppe Jozzi wiederum
wollte sich 1748 in Den Haag von einem sĂ€chsischen âColonelloâ an den MarĂ©chal de
Saxe (Hermann Moritz Graf von Sachsen) empfehlen lassen, der ihm seinerseits in Paris
Zugang zur Dauphine verschaffen sollte, die eine sÀchsische Prinzessin war.128 Aber auch
in diesem Zusammenhang gab es fĂŒr SĂ€ngerinnen einen Sonderweg ĂŒber den auch in der
Opernsatire institutionalisierten Protettore, einen adeligen Herrn (durchaus auch einen
FunktionstrÀger), der eine Zeit lang im Rahmen einer Liaison ihr Auskommen bestritt und
fĂŒr ihr beruĂiches Weiterkommen sorgte. Genau dieses ĂModell” hatte wohl auch Franz
Pirker vor Augen, als er Folgendes an seine Frau schrieb: âDurch Dames zu gehen ist der
beste und reputirlichste Weg allerorten. Erstlich giebt ihre Protection weit mehrer aus,
denn der Cavaliers, 2do ist es auch ehrbahrer.â129
Eine genauere Analyse der Informationen, die die Pirkers und Giuseppe Jozzi zu die-
sen beiden Netzwerken geben, lÀsst erkennen, dass sie je nach geogra¿schem Standort
und institutionellem Hintergrund unterschiedlich intensiv zum Tragen kamen. In Lon-
don waren diplomatische Vertreter groĂer wie kleiner MĂ€chte anzutreffen und teils in der
Person des Gesandten, teils durch untere DienstrÀnge der jeweiligen Gesandtschaften
im direkten Umfeld der Musiker und Opernleute prÀsent. Der österreichische Gesandte
Ignaz von Wasner130 und sein LegationssekretÀr Anton von Zöhrer, der kurbayerische
Gesandte Josef Xaver Graf Haslang und sein LegationssekretÀr C. W. Kellerhoff,131 der
dÀnische Gesandte Heinrich Friedrich Baron von Solenthal und sein vermutlicher
(Legations-)SekretĂ€r âHerr Kochâ oder der langjĂ€hrige britische Gesandte in Hamburg,
Sir Cyrill Wych, sind Beispiele fĂŒr Diplomaten, die ganz offensichtlich auch von sich
aus die NĂ€he der OpernkĂŒnstler suchten. Nicht selten war das allerdings auch mit
Hintergedanken verbunden, denn Haslang war z. B. eine Zeit lang mit der TĂ€nzerin
Ancilla Campioni liiert und Wych mit der TĂ€nzerin âLa Tedeschinaâ132. Hinzu kam, dass
in GroĂbritannien seit der Revolution von 1688 (âGlorious Revolutionâ) die gesellschaft-
liche Hierarchie weniger auf Trennung im sozialen Umgang ausgelegt war als in man-
chem absolutistischen Regime des Festlands. Die Briefe von Franz an Marianne lassen
auf einen recht vertrauten Austausch selbst mit höher gestellten Persönlichkeiten schlie-
Ăen, wenn z. B. im Brief vom 10. September 1748 (14) GrĂŒĂe des Thronfolgerpaares und
hochrangiger Diplomaten ausgerichtet werden. Diplomaten sind es auch, die den Operisti
127 Brief vom 4. April 1749 (125).
128 Brief vom 10. Oktober 1748 (48).
129 Brief vom 28. November 1748 (78).
130 FĂŒr nĂ€here Informationen zu dieser und weiterer im Folgenden erwĂ€hnten Persönlichkeiten
verweise ich auf das erlÀuternde Personen- und Sach-Verzeichnis im Anhang.
131 Die abgekĂŒrzten Vornamen konnten nicht ermittelt werden.
132 Ihr bĂŒrgerlicher Name ist nicht bekannt.
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Die Operisti als kulturelles Netzwerk
Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker, Volume 1 & 2
- Title
- Die Operisti als kulturelles Netzwerk
- Subtitle
- Der Briefwechsel von Franz und Marianne Pirker
- Volume
- 1 & 2
- Editor
- Daniel Brandenburg
- Publisher
- Ăsterreichischen Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8898-8
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 1048
- Category
- Kunst und Kultur