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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
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24    Gudrun Heidemann Amnesie und Aphasie bedingt sind, auffallend narrative Verfahren zum Einsatz, die ein breites mediales Spektrum aufweisen. Das großelterliche oder elterliche (Ver-)Schweigen erfĂ€hrt hierbei eine aufschlussreiche mediale Kompensation, wodurch familiĂ€re ErinnerungslĂŒcken ersetzt und hierbei explizit ausgestaltet werden. Aleida Assmann zufolge muss, was zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeblendet, abgewiesen, ausgemustert oder verworfen ist, [
] noch nicht gĂ€nzlich verloren/vergessen sein: Es kann in materiellen Spuren gesam- melt, aufbewahrt und einer spĂ€teren Epoche zugefĂŒhrt werden, in der es neu gedeutet wird. (2004, 48) Mit Eintritt in das elektronische und digitale Zeitalter gewinnen „Echtheit und AuthentizitĂ€t“ (Assmann 2004, 57) von materiellen WissenstrĂ€gern eine neue QualitĂ€t. Auch in den postmemorialen Narrationen geraten manuell begreif- bare ‚Reliquien‘ (Barthes 1970), die in direkter BerĂŒhrung mit der Vergangenheit standen, in den Fokus. Letztgenannte verbĂŒrgen allerdings gerade keine Authen- tizitĂ€t, sondern werden erzĂ€hlerisch angesichts ihrer Zeugenschaft befragt, indem ihre Auslassungen akzentuiert werden. Paradoxerweise manifestiert sich gerade in den Fehl- oder Leerstellen eine Latenz, die sich durch ihren Status des Potentiellen, durch Möglichkeiten des Daseins oder von Ereignissen auszeichnet. Im „Modus des Verborgenseins und der Wirksamkeit des Verborgenen“ (Diekmann und Khurana 2007, 9) lĂ€sst sich Latenz als solche nicht fassen, sondern einzig in ihren Effekten ausmachen, die aus Nachwirkungen von etwas Abwesendem resultieren.3 Da dieses Absente, das Unsichtbare in einer Vergangenheit begrĂŒndet liegt, die als (narrativer) Referenz- punkt fungiert, schlĂ€gt sich das Latente gerade literarisch nieder (vgl. Gisbertz und Ostheimer 2017). Insbesondere trans gene ra tio nale Narrative können solche Latenzen ausfindig machen, um sie fĂŒr Spekulationen ĂŒber naheliegende, aber nicht verbĂŒrgte (Familien-)Ge schichten zu nutzen. Die hiermit einhergehende VergegenwĂ€rtigung spiegelt vor allem den Einfluss visueller Medien wider, die zugleich zeigen und ausschließen, wie wir dies von fotografischen Ausschnitten kennen, die immer auch durch das Nicht-Gezeigte bedingt sind. Zugleich kom- primiert die Fotoaufnahme zeitlich eine RĂŒck- und Vorschau gemĂ€ĂŸ dem Aorist, wie ihn Roland Barthes versteht: „Ich lese gleichzeitig: das wird sein und das ist gewesen“ (1985, 106). Im Zeitalter omniprĂ€senter Vergegen wĂ€rti gung, die zunĂ€chst durch das Fernsehen, seit der Digitalisierung durch das Internet zur audiovisuel- 3  Hinsichtlich der zeitlichen Dimension konstatiert Thomas Khurana: „Das Latente ist keine zu- kĂŒnftige oder vergangene Gegenwart, es ist eine akut gegebene UngegenwĂ€rtigkeit“ (2007, 143).
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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Title
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Editor
Eva Binder
Christof Diem
Miriam Finkelstein
Sieglinde Klettenhammer
Birgit Mertz-Baumgartner
Marijana Miloơević
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-069346-1
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
350
Keywords
Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, TransnationalitÀt
Category
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