Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
LehrbĂŒcher
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Page - 81 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 81 - in Opfernarrative in transnationalen Kontexten

Image of the Page - 81 -

Image of the Page - 81 - in Opfernarrative in transnationalen Kontexten

Text of the Page - 81 -

Die Geschichte des/der Anderen    81 eine andersartige und sich anders artikulierende Wissensform, die nicht in die große ErzĂ€hlung der Nation aufgenommen werden kann. Der Körper als Leid- tragender markiert erneut eine Grenze zwischen Privatem und Politisch-Öffent- lichem, die hier wiederholt auch entlang ethnisierter Kriterien abgesteckt wird. Dieser Körper, in den traumatische Erfahrungen eingeschrieben sind, verweist dabei nicht bloß auf Vergangenes, sondern auf eine Vergangenheit, die nicht vergeht und die eine RĂŒckkehr in den alten Lebenszusammenhang unmöglich macht. KĂ€rntner Slowen*innen bleiben in der endlosen Wiederholung erlittener Gewalterfahrungen gefangen, in einer iterativen Zeit, die mit der linear ablau- fenden historischen Zeit des Landes nicht in Übereinstimmung gebracht werden kann. Die Ich-ErzĂ€hlerin kommuniziert zwischen diesen verschie denen ZeitlĂ€u- fen, wobei sie ihre Position als ein zeitliches Niemandsland, eine Art ‚Zeitkapsel‘ beschreibt, in der Gegenwart und Vergangenheit immer gleichzeitig prĂ€sent sind: Die Katrca habe einen wunden RĂŒcken gehabt, sagt Großmutter und ich stelle mir, auf dem Bett liegend, den RĂŒcken von Katrca vor, der in meiner Vorstellung aussieht wie ein bemal- tes Tuch [
]. Hinter dem RĂŒcken meiner Großmutter liegend, auf den erzĂ€hlten RĂŒcken von Katrca starrend, schwebe ich in der Vergangenheit wie in einem Zeittropfen, der in meinem Kopf kreist. (EV, 126) Die Textstelle, die sich des Palimpsests als GedĂ€chtnisfigur bedient (vgl. auch bei Banoun 2014, 21), um verschiedene Zeiten, RĂ€ume und Erinnerungssub- jekte miteinander zu verbinden, verdeutlicht auch die Schreibstrategie, die den ErzĂ€hlungen der Opfer gerecht werden will, indem sie ihnen das Sprechen aus der Subjektposition ermöglicht und jene leeren Stellen schreibend umkreist, die ihre toten Körper hinterließen. Es werden zahlreiche weitere Geschichten ĂŒber Tote, Ermordete und Leidende aus dem Familien-, Verwandten- und Freundes- kreis in die ErzĂ€hlung eingewoben, die zwar mit fremder Stimme sprechen, aber schließlich als Teil der eigenen Geschichte erkannt werden und das Ich an einem gemeinsamen Narrativ teilhaben lassen. Ein zentraler Bezugspunkt dieses Narra- tivs ist das Lagerheft der Großmutter und die Briefe von ihren Mitgefangenen, die der ErzĂ€hlerin helfen, die (Familien-)Geschichte zu rekonstruieren.8 8  Durch die Lagererfahrungen der Großmutter und ihre Briefe von Frauen aus dem KZ erhĂ€lt der Text eine transnationale Dimension: „In RavensbrĂŒck trafen die Frauen aus den GrĂ€ben mit den Frauen aus ganz Europa zusammen, vom KĂ€rntner Rand in ein Zentrum des Krieges geschleppt, in dem sich die Lebenswege der EuropĂ€erinnen kreuzten.“ (EV, 285) Dabei bleiben die konkre- ten ErzĂ€hlungen dieser Frauen aus verschiedenen LĂ€ndern zwar eine Leerstelle („was könnten sie erzĂ€hlen, ausgehend von diesem Ort“), durch die Schicksalsgemeinschaft in diesem „Todes- brennpunkt“ (EV, 285) werden ihre Gegenwart und ihre Vergangenheit fĂŒr immer miteinander
back to the  book Opfernarrative in transnationalen Kontexten"
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Title
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Editor
Eva Binder
Christof Diem
Miriam Finkelstein
Sieglinde Klettenhammer
Birgit Mertz-Baumgartner
Marijana Miloơević
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-069346-1
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
350
Keywords
Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, TransnationalitÀt
Category
LehrbĂŒcher
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Opfernarrative in transnationalen Kontexten