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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
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Die Geschichte des/der Anderen    83 explizit namentlich erwähnt (EV, 141; EV, 240–245), um ihnen in diesem perfor- mativen Akt der Nennung ein Denkmal zu setzen und ihrem Handeln und Leiden Sinn zu verleihen. In der Performativität der Übernahme des magischen Sprachdenkens der Großmutter, die die Erzählerin immer wieder auf die Macht des gesprochenen Wortes hinweist,11 und in der gleichzeitigen Rückkehr zur mütterlichen Tradition des geschriebenen (heiligen) Wortes kann die Erzählerin letztlich die anfängli- che Unverfügbarkeit der Sprache überwinden und die scheinbar gegensätzlichen Positionen dieser beiden weiblichen Figuren miteinander vereinen. Die Erzäh- lung, die letztlich auf dem Trümmer- und Scherbenhaufen der Geschichte in deutscher Sprache entsteht, dokumentiert den Prozess dieser Sprachfindung als Grenzüberschreitung, die mit dem Wechsel ins Deutsche nicht nur essentialisie- rende Bestimmungen von Identität und Zugehörigkeit durchkreuzt,12 sondern als politischer Akt ein gemeinsames Gedenken an die Opfer ermöglicht, das an alle Österreicher*innen adressiert ist. 3 Doppelte Zeugenschaft: Der Gedächtnissekretär Der Roman Der Gedächtnissekretär13 des iranischen Autors Hamid Sadr erschien zum 50. Jubiläum des Staatsvertrags, gleichzeitig mit zwei weiteren Romanen, Es geht uns gut (Geiger 2005) und Vienna (Menasse 2005), die sich ebenfalls der Geschichte Österreichs zuwenden. Sadrs Text kann man aber nicht nur synchron im österreichischen Kontext verorten, sondern auch diachron in dessen kritischer literarischer Tradition, zumal er sich intertextuell auch auf Thomas Bernhards Heldenplatz bezieht, der wegen seiner scharfen Kritik an dem weiterwirken- den Antisemitismus und Faschismus im sogenannten Bedenkjahr 1988 für den bislang größten (Theater-)Skandal Österreichs sorgte. Im Vergleich zu den vorhin erwähnten Familienromanen von Geiger und Menasse war die Resonanz auf 11  In der Forschung wird immer wieder auf dieses magische Sprachdenken hingewiesen. Previšić bezeichnet das Kärntner Slowenische als „langue vernaculaire“ und „langue mythique“, wobei letztere sich vor allem in den Beziehungen weiblicher Figuren manifestiert (2014, 349). Mare betont die Nähe der Sprache der Großmutter zum „Zauberspruch“ (2015, 188). Ott (2017) spricht über die „Heiligkeit der Sprache“. 12  Auch Ott (2017, 108) interpretiert den Sprachwechsel mit Bezugnahme auf einige Selbstaus- sagen der Autorin als eine Möglichkeit, aus den nationalen und ethnischen Zuschreibungen aus- zubrechen. 13  Im Folgenden abgekürzt zitiert mit der Sigle GS, Seitenangabe.
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Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Title
Opfernarrative in transnationalen Kontexten
Editor
Eva Binder
Christof Diem
Miriam Finkelstein
Sieglinde Klettenhammer
Birgit Mertz-Baumgartner
Marijana Milošević
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-069346-1
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
350
Keywords
Opfernarrative, zeitgenössische Literatur, transnationale Erinnerung, Transnationalität
Category
Lehrbücher
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