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3ll Blumauer Aloys.
letzten Decennien des verflossenen Jahrhunderts einer der berühmtesten
Dichter Österreichs/ durch ganz Deutschland beliebt und gelesen. Bey
der geistigen Wahrung, die nach dem Regierungsantritte Jose pH's I I .
in den osterr. Staaten entstand, machte er sich gleich anfangs als
einer der besten Köpfe bemerklich. Seinen Ruhm gründete er vor-
nehmlich durch eine Sammlung vermischter Gedichte und seine trave^
stirte Hneide. Von seinen Gedichten sind einige kraftig und gefühlvoll
in schöner mannlicher Sprache und im Geiste Bürger's. Jedoch hat
man ihn mit Recht getadelt, dasi sein ausgeströmter burlesker Witz all-
zutief sinkt, und sich bis ins Gebieth des Ekelhaften verirrt; selbst nicht
frey zu sprechen von einiger Rohheit, bey der er mit Behagen verweilt.
Seine Travestirung von Virgi l 's Aneide, ein Werk, worin er Alies mir
einer immer zunehmenden Fülle von satyrischer Laune, aber auch zum
Theil mit gesuchtem Witz und meist schroffer Kühnheit angriff,
gehörte gleichwohl längere Zeit nach seinem Erscheinen zu den gelesensten
Schriften in Deutschland, und behauptet noch jetzt seine Individualitat.
B. hat es nicht vollendet, seine Parodie erstreckt sich nur bis auf
die 9 ersten Virgil'schen Bücher. Ein gewisser Schaber lieferte 1794
eine Fortsetzung, deren niedere Gemeinheit allgemeinen Unwillen erreg-
te; auch fand B. der unberufenen Nachäffer noch mehrere; man trave<
stirte die Iliade, die Metamorphosen Ovid's u. s. w., und eine dieser
jetzt vergessenen Arbeiten (Herkules, travestirt in 6 Bden., von Blum-
auer, Franks, u. Leipzig, 1794) mißbrauchte sogar B.'sNahmen auf
dem Titel. B. erstes schriftstellerisches Werk war ein sehr mittelmäßiges
Trauerspiel: Erwine von Steinheim. Seine Gedichte wurden zu Wien
1732 gedruckt. Die Reise des Papstes Pius VI . nach Wien veran«
lasite ihn zu einem prophetischen Prolog (von dem bald eine 2. Aufl. er<
folgte) und einem Epilog.Gegen Nicolai 's bekannte Reisebeschreibung
verfaßte er uncer dem Nahmen Obermeyer einen satyrischen Prolog
(der im 2. Bde. seiner Gedichte wieder abgedruckt wurde); auch schrieb
er auf Veranlassung derselben: Beobachtungen über Österreichs Aufklä-
rung und Literatur, Wien, 1783, und noch eine zweyte Schrift:
Proceß zwischen Nicola i und den797Pranumeranten u. s. w., Leipzig,
(Wien) 1733. Von der travestirten Hneide erschienen die ersten Bücher
einzeln als Probe, hierauf das Ganze in 3 Bdn., Wien, 1784, 1735
und 1738, welche einige Mahle wieder aufgelegt und nachgedruckt und von
Ossipi ins Russische übersetzt worden sind. 1734 ließ er Freymaurer-Lie-
der drucken (er war Mitglied dieses Vereins), welche 1791 eine neue
Auflage erhielten, und sich in seinen sämmtlichen Werken befinden. Schon
1730 erschien sein Gedicht: Die Buchdruckerkunst. Außer verschiedenen
andern kleinen Schriften und Aufsätzen lieferte er besonders noch viele
Gedichte in den Wiener Musenalmanach, den er von 1731 —-91
mit Ratschky herausgab. 2 Jahre lang (von 1782 — 34) besorg-
te er die Wiener Realzeitung, und hatte auch an der Iena'schen allg.
Literaturzeitung seinen Antheil. Nach B.'s Tode erschienen seine sämmt-
lichen Werke in 3 Bdn., Leipzig, 1301—3, mit Kupfern. Die 3 er-
sten Bande enthalten die traoestirte Aneide, die 4 folgenden, Gedichte
(mit nicht hinlänglich sorgfältiger Auswahl), der letzte Band enthält prosai-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe A-D, Volume 1
- Title
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Subtitle
- Buchstabe A-D
- Volume
- 1
- Authors
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Publisher
- H. Strauß
- Location
- Wien
- Date
- 1835
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.3 x 22.0 cm
- Pages
- 788
- Keywords
- Nachschlagewerk, Biografien
- Categories
- Lexika National-Enzyklopädie